Leseprobe
Kapitel 1 Umgeben von einem Haufen von Oberteilen, die alle nicht infrage kamen, stand Robin Price vor dem Wandschrank, den sie sich einst mit ihrem Mann geteilt hatte. Sie schwankte zwischen hochhackigen Pumps und Ballerinas. Aber in Gedanken war sie bei ihrem Haus, einem Minenfeld aus Plastikdinosauriern, Spielkarten und Bob-der-Baumeister-Figuren, die auf dem Weg von Calebs Zimmer zu ihrem eigenen verstreut lagen. Robins Schwägerin schien das Chaos nichts auszumachen, oder vielleicht war sie auch nur daran gewöhnt. Jetzt hielt sie sich lange Ohrhänger an ein Ohr und goldene Creolen an das andere. Mit jedem Tag schien sie mehr zu ihrer alten Form zurückzufinden. 'Diese hier würden zu deinem schwarzen Top super aussehen', sagte Amanda und wackelte mit den Creolen an ihrem linken Ohr. 'Aber diese hier passen genau zu dem blauen.' Sie hielt sich die Ohrhänger ans rechte Ohr. Hinter ihr stapfte Caleb in braunen Stiefeln mit hohen Absätzen ins Zimmer, seinen geliebten Mähdrescher in der Hand. Mit seiner Haartolle und den großen braunen Augen sah er Micah so ähnlich, dass Robin kurz der Atem stockte. 'Guck mal, Mommy', sagte er. 'Ich bin ein Cowboy! Und ich verjage die bösen Männer mit meinem Schießgewehr.' Er rannte, so schnell es ihm die viel zu großen Stiefel erlaubten, den Flur entlang. Amanda hielt die Ohrringe höher. 'Was meinst du?' 'Ich finde, wir machen uns zu viele Gedanken.' Robin ließ sich aufs Bett fallen und wischte sich ein paar Haarsträhnen aus den Augen. 'Dein erstes Date seit mehr als vier Jahren? Da kann man sich gar nicht genug Gedanken machen.' 'Hör auf damit. Es ist kein Date.' Robin hatte so schon ganz schwitzige Hände. Ganz zu schweigen von dem mulmigen Gefühl in der Magengegend und ihren Nerven, die blank lagen. Dagegen war der chaotische Zustand ihres Hauses ein Klacks. 'Ein alleinstehender Mann lädt dich zum Abendessen ein. Ich raube dir ja nur ungern deine Illusionen, aber das ist ein Date.' Mit einem Stöhnen ließ Robin sich auf die Matratze fallen. 'Ich bin ein schrecklicher Mensch. Jemand sollte mich einschließen und den Schlüssel wegwerfen.' 'Die Tatsache, dass du dich wieder unter die Leute traust, macht dich doch nicht zu einem schrecklichen Menschen.' 'Aber das meine ich doch. Ich will ja gar nicht da raus!' Genau genommen lief das einzige männliche Wesen, mit dem Robin Zeit verbringen wollte, gerade in ihren hochhackigen braunen Stiefeln herum - und für die Dates mit diesem jungen Mann brauchte sie in der Regel nur ihren Schlafanzug, Popcorn und die DVD Elliott, der Drache, die sie sich schon x-mal angesehen hatten. Sie schlug den Arm über die Augen und schüttelte den Kopf. 'Die ganze Sache war ein riesiges Missverständnis.' 'Wovon redest du?' 'Kyle hat meinen Vorschlag falsch verstanden. Wahrscheinlich denkt er, ich hätte auf ein Date spekuliert, aber ich wollte tatsächlich nur über die Veranstaltung am Sonntag reden.' Kyle war der neue Leiter von One Life, einer Hilfsorganisation, die von Sybils Antiquitätengeschäft aus arbeitete. Sie boten alles an: von kostenlosen Mahlzeiten über Kurse für Arbeitslose und Nachmittagsprogramme für Schulkinder. Und außerdem traf sich dort auch eine Selbsthilfegruppe für Drogenabhängige. Der Laden war direkt neben Robins Café und das bedeutete, dass sie nach Herzenslust backen konnte, denn alles, was tagsüber nicht verkauft wurde, gab sie nach nebenan, wo nie etwas Essbares umkam. Gestern, als sie ein paar Apfeltaschen rübergebracht und gefragt hatte, wann sie über den geplanten offenen Treff reden sollten, hatte er geantwortet: 'Wie wäre es mit morgen Abend beim Essen?', und sie war so schockiert gewesen, dass sie Ja gesagt hatte. Sie hatte Ja gesagt! 'Ach du liebe Güte, ich mache ihm falsche Hoffnungen.' 'Machst du nicht', erwiderte Amanda, die in einer Schmuckschatulle auf der Kommode wühlte. 'Vielleicht funkt es ja zwischen euch beiden.' Robin blickte an die Decke und sah die Staubschicht auf den hölzernen Ventilatorblättern. Zwei der drei G