Beschreibung
Nach dem Tod der Eltern verlassen die mittellosen Schwestern Justine und Juliette die Klosterschule. Die bisexuelle, grausame und lasterhafte Juliette wird Prostituierte, lernt einflussreiche Freunde kennen, begeht eine Vielzahl von Verbrechen und erlangt Reichtum und Glück. Die tugendhafte Justine hingegen erlebt ein Unglück nach dem anderen und wird von den Menschen gepeinigt und für ihre Moral bestraft. Der Roman enthält eine Vielzahl von bizarren, sadomasochistischen und mörderischen Szenen, die von weltanschaulichen Einlassungen der handelnden Hauptpersonen unterbrochen werden. De Sade ordnete den einzelnen Episoden charakteristische Tugenden zu wie Schamhaftigkeit, Ehrlichkeit, Grauen vor Untat, Keuschheit, Frömmigkeit, Mildtätigkeit, Mitleid, Vorsicht, Güte und Wahrheitsliebe. Die handelnden Personen sind Charaktermasken des Bösen oder des Guten. Die sinnfällige Moral der Geschichte ist die konsequente Belohnung der Verbrecher für ihre Schandtaten und die Entlarvung der Unnatürlichkeit des Guten. Der homosexuelle Muttermörder Bressac erbt ein Vermögen, der mörderische Chirurg wird Leibarzt des Schwedenkönigs, der Abt wird im Anschluss an sein orgiastisches Klosterleben in Rom zum Ordensgeneral ernannt. Der Falschmünzer wird vermögend, die verdorbene Schwester Juliette wird reich; Justine hingegen wird für ihre Tugendhaftigkeit von der Natur im Blitz ausgelöscht. In Form seines Episodenromans stellt de Sade eine vorrevolutionäre Raubtiergesellschaft von Amoralisten vor. Korruption, Geilheit und Geldgier regierten das Ancien Régime. Doch darüber hinaus beinhaltet die Sicht de Sades einen Hang zum Anarchismus, den Individualismus der allein ihrer Triebhaftigkeit folgenden Subjekte auf die Spitze zu treiben. Auch die Despoten können sich nicht mehr ihres Lebens sicher sein, denn außer dem Naturrecht, als dem Recht des Stärkeren, wird keine ordnende Hand der Welt anerkannt.
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Autorenportrait
Donatien Marquis de Sade, * 2. Juni 1740 in Paris; gestorben 2. Dezember 1814 in Charenton-Saint-Maurice bei Paris war ein französischer Adeliger aus dem Haus Sade. Er wurde bekannt durch seine gewaltpornographischen Romane, wovon er die meisten während jahrzehntelanger Aufenthalte in Gefängnissen und Irrenanstalten schrieb. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass die Handlung durch lange philosophische Passagen radikal-atheistischer und materialistischer Konzeption unterbrochen wird. Diese philosophischen Diskurse dienen zum einen der Rechtfertigung des grausamen Plots und zum anderen der Propagierung seiner libertären Ansichten. Er beschrieb, dass man eine sexuelle Deviation erlebt, die darin besteht, dass ein Mensch Lust oder Befriedigung erlebt, wenn er andere Menschen demütigt oder quält.