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Die empathische Zivilisation

Wege zu einem globalen Bewusstsein

Erschienen am 25.01.2010
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593385129
Sprache: Deutsch
Umfang: 468 S.
Format (T/L/B): 3.4 x 23.4 x 16.4 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Jeremy Rifkin schreibt die Geschichte der Zivilisation neu und entwirft die Vision einer zukünftigen Ära. Der Schlüssel für unser Zusammenleben in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ist Empathie: die Gabe, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und bei allem, was wir tun, die Konsequenzen für andere zu bedenken. Wir sind nicht von Natur aus egoistische, aggressive Einzelkämpfer. Vielmehr sind Kooperation, Solidarität und Mitgefühl die Grundlagen unseres Zusammenlebens. Auch das menschliche Gehirn ist auf Vernetzung und Solidarität ausgelegt, wie die Neurowissenschaften bestätigen. Nach der Agrar- und der Industriegesellschaft prophezeit Rifkin eine neue Ära: den dezentralisierten Kapitalismus. Herausforderungen wie die globale Wirtschaftskrise und der Klimawandel zeigen: Entscheidend ist, auf Interessen und Positionen anderer einzugehen. Nur die Fähigkeit zur Empathie erlaubt es, der verstärkten Komplexität unseres Lebens Rechnung zu tragen.

Autorenportrait

Jeremy Rifkin ist einer der bekanntesten gesellschaftlichen Vordenker unserer Zeit. Seine Bücher, in mehr als dreißig Sprachen übersetzt, bringen die großen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Zukunftsthemen auf den Punkt. Er ist Autor vieler Bestseller, darunter u.a. Der Europäische Traum (internationaler Buchpreis "Corine"), Das Ende der Arbeit, Das Biotechnische Zeitalter und Access (Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch). Jeremy Rifkin ist Gründer und Vorsitzender der Foundation on Economic Trends in Washington D.C. und unterrichtet an der renommierten Wharton School of Business. Außerdem ist Rifkin Berater für die Europäische Union und verschiedene Regierungen weltweit.

Leseprobe

Kapitel 1 Der verborgene Widerspruch in der Geschichte der Menschheit Flandern, am Abend des 24. Dezember 1914. Der Erste Weltkrieg ging in seinen fünften Monat. Millionen Soldaten hatten sich verschanzt in den verzweigten, provisorisch ausgehobenen Gräben, die die europäischen Frontlinien markierten. Auf vielen Schlachtfeldern lagen sich die gegnerischen Armeen nur 30 bis 50 Meter gegenüber - in Rufweite. Die Bedingungen waren höllisch. Die Eiseskälte des Winters drang bis in die Knochen. In den Gräben stand das Wasser. Die Soldaten teilten ihr Domizil mit Ratten und Ungeziefer. In Ermangelung vernünftiger Latrinen stank es überall nach menschlichen Exkrementen. Die Männer schliefen im Stehen, um nicht im Dreck und Matsch ihrer unzulänglichen Quartiere liegen zu müssen. Das "Niemandsland" zwischen den feindlichen Fronten war mit toten Soldaten übersät, deren Leichen wenige Meter von ihren Kameraden entfernt vor sich hin faulten, weil sie nicht geborgen und begraben werden konnten. Als die Dämmerung über den Schlachtfeldern hereinbrach, geschah etwas Unerhörtes.1 Die Deutschen entzündeten Kerzen an Tausenden von kleinen Christbäumen, die man ihnen aus der Heimat geschickt hatte. Dann fingen sie an, Weihnachtslieder zu singen - als erstes Stille Nacht, gefolgt von anderen Weisen. Die britischen Soldaten waren perplex. Sie starrten fassungslos zu den feindlichen Linien hinüber, und einer von ihnen bemerkte, die hell erleuchteten Gräben sähen aus wie "das Rampenlicht im Theater". Die Engländer reagierten mit Applaus, erst zaghaft, dann mit Begeisterung. Schließlich stimmten sie ihrerseits Weihnachtslieder an, begleitet vom ebenso donnernden Applaus ihrer Feinde. Auf beiden Seiten begannen einzelne Soldaten aus den Gräben zu klettern und über das Niemandsland aufeinander zuzugehen. Hunderte folgten ihrem Beispiel. Die Geschichte begann sich in Windeseile an den Fronten herumzusprechen, und Tausende strömten aus ihren Gräben. Sie schüttelten sich die Hände, tauschten Zigaretten und Plätzchen, zeigten Familienfotos herum. Sie unterhielten sich darüber, woher sie kamen, schwelgten in Erinnerungen an vergangene Weihnachtsfeste und machten Witze über die Absurdität des Kriegs. Als am nächsten Morgen die Weihnachtssonne über dem Schlachtfeld Europa aufging, standen Zehntausende Männer - manche Schätzungen gingen gar von 100?00 aus - friedlich beieinander und unterhielten sich.2 Soldaten, die noch 24 Stunden zuvor Feinde gewesen waren, begruben jetzt gemeinsam ihre toten Kameraden. Berichte von manch einem spontan organisierten Fußballspiel machten die Runde. Während die Offiziere an der Front mit von der Partie waren, reagierten die Stabsoffiziere, als die Nachricht von den Ereignissen zu den Heeresführungen im Hinterland durchsickerte, weniger begeistert. Weil die Generäle fürchteten, der Waffenstillstand könne die Kampfmoral der Soldaten unterminieren, riefen sie ihre Truppen eilends zur Ordnung. Der surreale "Weihnachtsfrieden" endete so abrupt, wie er begonnen hatte - alles in allem nur ein winziges Lichtsignal in einem Krieg, der im November 1918 nach dem bis dato größten Gemetzel in der Geschichte der Menschheit mit achteinhalb Millionen Toten zu Ende gehen sollte. Für ein paar Stunden, nicht mehr als einen Tag lang, verweigerten Zehntausende von Männern nicht nur ihren Heeresführungen die Gefolgschaft, sondern ignorierten auch ihre Treueeide aufs Vaterland, um ihre elementare Menschlichkeit zu bekunden. An die Front geschickt, um zu verstümmeln und zu töten, missachteten sie mutig ihre militärischen Pflichten, um miteinander zu fühlen und das Leben zu feiern. Obwohl Heldentum im Krieg an der Bereitschaft gemessen wird, für eine hehre, das tägliche Leben transzendierende Sache zu töten und zu sterben, entschieden sich diese Männer für eine andere Art von Heldenmut. Sie nahmen am Leid ihrer Feinde teil und suchten Trost in ihrer gegenseitigen Verzweiflung. Sie überquerten das Niemandsland und fanden sich selbst im jewei

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Aufbruch in die Zukunft