Beschreibung
In Zeiten zunehmender Bürgerüberwachung, Datenspeicherung und Sicherheitshysterie ist Naomi Wolfs Buch im wahrsten Sinne not-wendig.
Amerikaner und Europäer neigen dazu, die freiheitliche Demokratie, in der sie leben, als unsterblich zu betrachten. Eine pure Selbstverständlichkeit, für deren Bewahrung man sich nicht einsetzen muss. Die Geschichte, sagt die US-Amerikanerin Naomi Wolf, spricht allerdings eine andere Sprache. Nicht die Demokratie, sondern die Tyrannei ist unsterblich und findet nach Zeiten des Rückzugs immer wieder Wege zurück auf die Bühne der Geschichte. Naomi Wolf zieht historische Vergleiche heran: Wie haben Hitler, Mussolini und Pinochet ihre Schreckensherrschaft etabliert? Meist geschah dies nicht mit einem ''großen Knall'', sondern auf geordnete Weise, gemäß den Regeln von Demokratien, die dem gefährlichen Flirt mit der Selbstzerstörung nicht widerstehen konnten. Faschismus, sagt die Autorin, offenbart sich in seiner Anfangsphase selten durch Massenerschießungen oder die rauchenden Schlote von Vernichtungslagern. Manchmal ist er zunächst nur daran zu erkennen, dass wir beginnen, unsere Worte abzuwägen. Das Porträt der präfaschistischen Phase, in die die USA heute eingetreten ist, ist erschreckend lebensnah. Das Buch gibt aber auch Anhaltspunkte dafür, wie wir neuere politische Entwicklungen in Europa richtig einschätzen können. Das fundierte Wissen einer Tochter von Holocaust-Überlebenden über das Dritte Reich machen dieses Buch gerade für deutsche Leser zu einer hochinteressanten Lektüre.
Von der Autorin des Kultbuchs ''Mythos Schönheit''.
Autorenportrait
NAOMI WOLF ist die Tochter jüdischer Holocaust-Überlebender. Sie wurde in den 90er-Jahren durch ihren Bestseller "Mythos Schönheit" bekannt und galt damals als Vorreiterin eines neuen Feminismus. 1996 engagierte sie Bill Clinton als Beraterin für seinen W
Leseprobe
Ich habe dieses Buch geschrieben, weil ich die Parallelen zwischen Ereignissen in der Vergangenheit und den heute wirkenden Kräften nicht länger ignorieren kann. Eine gute Freundin, die Tochter von Holocaust-Überlebenden ist und ihren Studenten das amerikanische Regierungssystem als eine Art persönliche Antwort auf das vermittelt, was ihrer Familie widerfahren ist, drängte mich, mit meinen Gedanken an die Öffentlichkeit zu gehen, als ich ihr von diesen Themen erzählte. Mit dafür verantwortlich, dass ich das Buch so geschrieben habe, wie ich es tat, ist die Hochzeit von Christopher Le und Jennifer Gandin, zu der ich mitten während meiner Recherchen eingeladen wurde. Jennifer ist eine unserer Graduate-Studentinnen, eine begabte junge Autorin. Ihr Vater ist Pfarrer in Texas, und ihre Wurzeln im amerikanischen Herzland reichen viele Generationen zurück. Chris, der 'junge Patriot', an den ich meinen warnenden Brief richte, ist ein geborener Aktivist, ein Naturtalent als Graswurzelpolitiker und Lehrer. Er sitzt im Vorstand der National Suicide Prevention Lifeline und engagiert sich auf vielen Gebieten. Jennifer und Chris sind typisch für jene Sorte idealistischer junger Menschen - idealistischer junger Amerikaner -, die unsere Nation aus dieser Krise führen werden. Chris und Jennifer haben an einem warmen Tag im Frühherbst geheiratet. Es war eine Szene wie aus dem Bilderbuch-Amerika, das Beste, was diese Nation uns an Freiheit, Großzügigkeit und Schutz zu bieten hat. Die Feier fand auf einem grünen Hügel über dem Tal des Hudson River statt. Jennifers Familie hatte die Aufbauten und Tische mit wehendem weißem Chiffon dekoriert, Chris' Mutter und seine weiblichen Verwandten hatten tagelang am Herd gestanden und wunderbare vietnamesische Gerichte gezaubert. Zur Zeremonie erschien Jennifer in einem strahlend weißen ao dai, dem traditionellen vietnamesischen Hochzeitskleid, und zum Tanz wechselte sie in ein gleichermaßen strahlendes, purpurrotes amerikanisches Ballkleid. Kinder tollten umher, Bäume rauschten im Wind, die Sonne sprenkelte die Szene mit warmem Licht, Trinksprüche wurden ausgebracht und Geschenke verteilt, ein großartiger DJ legte auf, und schlechte Witze wurden gerissen. Freunde unterschiedlichster ethnischer Abstammung und sozialer Herkunft tanzten und plauderten und waren vereint in ihrer Zuneigung zu dem jungen Brautpaar. Diese Szene enthielt alles, was Amerika sein sollte. Noch unter dem Eindruck dessen, was ich gelesen hatte, gelang es mir nicht, die Sturmwolken zu ignorieren, die sich über der Nation insgesamt auftürmten. Und mich überkam das Gefühl, dass Jennifer und Chris noch ein Geschenk benötigten: die Instrumente, um sich ihrer Freiheit bewusst zu werden und sie zu verteidigen, die Mittel, um sicherzustellen, dass auch ihre Kinder in Freiheit geboren werden. Das war kein akademischer Gedanke. Chris' Mutter Le Mai, die die Gäste mit Witz und Stil begrüßte, ist eine Heldin. Sie floh als junge Frau auf einem Boot aus Vietnam, in den Armen ihren nicht einmal zwei Monate alten Sohn Vu (Chris' Geburtsname). Sie wusste, wollte sie in Freiheit leben, dann musste sie ihr Leben und das ihres Kindes aufs Spiel setzen. Wir, die wir bis vor kurzem von einem Übermaß an Freiheit verwöhnt waren, verstehen nicht annähernd so gut wie sie, wie wertvoll die Freiheit ist. Aber wir müssen uns dieses Verständnis erwerben, und zwar schnell, wollen wir die Krise meistern, vor der wir stehen, und so schnell reagieren, wie es die Lage verlangt. Chris und ich haben über Freiheit gesprochen und über seine Überzeugung, dass das Pendel auch 'zurückschwingen' kann. Dass viele seiner Altersgenossen so wenig für die Demokratie empfinden, liegt seiner Meinung nach daran, dass die vorangegangenen Generationen es versäumt haben, sie mit Leben zu erfüllen. Nicht nur unsere Jugend fühlt sich der Demokratie entfremdet just zu einer Zeit, als Freiheitsrechte der amerikanischen Nation abgebaut werden. Bei meinen Reisen durch das Land habe ic Leseprobe