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Der Tannenbaum

Das Märchen einer Freundschaft

Erschienen am 02.11.2009
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783570100165
Sprache: Deutsch
Umfang: 128 S., 5 s/w Illustr., mit Illustrationen von Cor
Format (T/L/B): 1.5 x 20.4 x 13.2 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Über den wahren Wert von Weihnachten In einer Waldlichtung wächst ein Tannensprössling heran. Neugierig lernt er die Tier- und Pflanzenwelt kennen, denkt über die Menschen nach und freundet sich mit dem Eichhörnchen Crik an. Als die Tanne riesengroß geworden ist, wird sie eines Tages gefällt. Zusammen mit dem im Gezweig versteckten Eichhörnchen bringt man sie als Weihnachtsbaum auf den Petersplatz. Crik ist untröstlich, und auch die entwurzelte Tanne leidet in Rom. Das Eichhörnchen will ihr unbedingt helfen und entwirft einen raffinierten Plan, wie die Tanne in die Heimat zurückkehren kann. Susanna Tamaro beschreibt in ihrem modernen Märchen mit liebevollen Details die Lebenswelt der Bäume und Tiere und erzählt von den wahren Werten von Weihnachten. Schön gestaltetes Weihnachts-Geschenkbuch mit exklusiven Illustrationen.

Leseprobe

Diese Geschichte beginnt vor vielen, vielen Jahren, als sich aus einem am Zweig hängenden Tannenzapfen ein kleiner geflügelter Samen löste, eine Weile gemächlich durch die Luft trudelte und dann in die Mitte einer großen Lichtung schwebte. Es war ein Morgen im späten Frühling, von den hohen Wipfeln kam noch ein eisiger Hauch, und die Bäche flossen von der Schneeschmelze geschwellt zu Tal. Im Sonnenaufgang sangen die Vögel wie ein einziges großartiges Orchester. Rotkehlchen, Zeisige, Finken, Gimpel, Dompfaffen wetteiferten miteinander um die Solostimme. Bald würde die Luft sich mit Insekten füllen: Es war also Zeit, sich eine Gefährtin zu suchen und die Grenzen des zukünftigen kleinen Reichs der Familie abzustecken. Tagsüber flogen die Paare hektisch über die Weiden. Bei Blättern und Flechten zögerten die Jüngsten: Passte dieses Zweiglein, war es lang genug? Und wenn wir auch noch diesen schönen Wollfaden nähmen, das Rosshaar, das sich dort in den Dornen verfangen hat? Zum ersten Mal einen Hausstand zu gründen, machte immer ein bisschen Angst. Werden die Eier es hier warm genug haben? Und wird es für die Kleinen, wenn sie heranwachsen, nicht zu eng werden? Und wenn mehr auf die Welt kämen als vorgesehen? Die alterfahrenen Paare waren gerührt angesichts so vieler Befürchtungen. "Macht euch keine Sorgen", sagten sie zu den Jüngeren, während sie geschickt Moos und dürre Ästchen verflochten, "habt Vertrauen! Euer Herz weiß schon alles." Nach einer Woche gab es keinen Baum und keinen Strauch im Wald, in dem sich nicht ein gemütliches, bauchiges kleines Nest verbarg. Manche waren rund und winzig: außen weiches Moos, innen kuschelige Wolle. Andere, größere, bestanden nur aus ineinander geflochtenem Reisig. Wieder andere - ein Knäuel aus Flechten, trockenen Blättern und Zweiglein -hingen von den Bäumen wie Nikolausstrümpfe. Jedes war nach den Bedürfnissen des kommenden Nachwuchses geplant und gebaut worden, mit hohen, stabilen Rändern, um in den noch kalten Nächten die laue Wärme zu speichern, die Ungezogenheiten der unternehmungslustigsten Küken auszuhalten und sie gleichzeitig vor dem Auge der Raubvögel zu schützen. Eines schönen Tages folgte im Wald auf die rege Geschäftigkeit des Nestbaus die zärtliche Stille des Brütens. Während die Männchen auf der Suche nach Nahrung für ihre Bräute unterwegs waren, gab es stürmische Regentage. Der Regen peitschte Bäume und Wiesen, machte die Stämme nass und nährte den Boden, und die Samen, die geduldig in der Erde warteten, begannen anzuschwellen. Nach dem Regen schien wieder die Sonne, und das Häutchen, das die Samen wie ein zu enges Kleid umschloss, zerriss. Auch der kleine geflügelte Samen ging auf, verankerte sich mit einer winzigen Wurzel im Boden und schickte ein zartes Federchen nach oben auf der Suche nach Licht. Im Wald begannen die Kleinen zu schlüpfen. Die Nestlinge piepsten, während sie auf die Eltern warteten, und versteckten sich beim geringsten bedrohlichen Schatten: Auch die Raben, Sperber und Eulen hatten Nachwuchs zu versorgen. Noch nackt schlummerten die Siebenschläfer, die Eichhörnchen und die Haselmäuschen in den Baumhöhlen, während die jungen Spitzmäuse in den Gängen unter dem Moos die ersten Schritte probten und die Nattern aus ihren zylindrischen Eiern schlüpften. Als dann die Tage allmählich länger wurden, verwandelte sich der prasselnde Regen in milde Niederschläge, und morgens bedeckte Tau die Wiesen und Blumen mit einem Mantel aus leuchtenden Tropfen. Der Sonnenuntergang fand schier kein Ende. Mit seinem rosigen Licht streichelte er alle Dinge, als wollte er die Herrlichkeit der Welt bezeugen. Zuletzt kam der Sommer mit seiner zufriedenen Ruhe, und im Unterholz reiften die Heidelbeeren. Die Vögel hatten ihre Nester verlassen, um dem Abenteuer des Lebens entgegenzufliegen, und auch die Jungen in der Erde machten sich auf ihren wackeligen Pfötchen auf. Die Zeit der Stille und des Ausruhens war gekommen. Dann, eines Morgens, lag auf den höchsten Gip Leseprobe