Beschreibung
"Grandios! Necroville vereint auf einzigartige Weise Stephen King mit Arthur C. Clarke." Washington Post
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Heyne, Wilhelm Verlag Penguin Random House Verlagsgruppe Gmb
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Neumarkter Str. 28
DE 81673 München
Autorenportrait
Der Nordire Ian McDonald schreibt seit vielen Jahren Science-Fiction- und Fantasy. Etliche seiner Bücher wurden preisgekrönt. "Necroville" ist sein faszinierendstes und erfolgreichstes Buch.
Leseprobe
November Morgen und Nachmittag Am Morgen fand Santiago einen mit der straßenwärtigen Mauer seines Hauses verschmolzenen Toten. Geweckt durch das erste spasmische Geflacker des Himmelszeichens fünfzig Kilometer über der Stadt, entließ das Body-Trikot Santiago in Katzenjammer, Abscheu und das dämmrige Licht des frühen Morgens. Virtualitätsträume zersetzten sich Neuron um Neuron. Intraaktive Tektoplastik-Fühler wanden sich aus seinen Ohrschnecken hervor, den Hirnhälften, den Ohrtrompeten, schlüpften aus seinen Sehnerven. Das Faserschaltsystem des Body-Trikots pellte sich von seinem Schädel, dem Rückgrat und den Genitalien, floss über seine Haut wie Fruchtwasser, die Arme hinab und formte sich in seinen gewölbten Händen zu einer zittrigen Kugel halbintelligenten Nanopolymers. Introibo ad altare. Die chemische Glut, die während der ganzen Nacht in seinem Körper gebrannt hatte, lagerte sich in seinen Adern als Flocken narkotischer Asche ab. Das Himmelszeichen, eine artifizielle Aurora mikroskopisch kleiner, über der Tropopause verteilter lichterzeugender Tektoren, glich einem durch die ersten Strahlen der Sonne, die sich noch hinter den östlichen Bergen verbarg, jäh entfachten, verzerrten Wabern karmesinroten Feuers. Die Helligkeit drang durch das Glasdach des Ateliers zu den Gestalten, die ausgestreckt, die Gliedmaßen gespreizt, auf dem Fußboden ruhten - Santiagos Genossen. Düsterrote Miniaturkreuzigungen. Spielzeug-Golgathas. Heilige und Märtyrer. Santiago sammelte Heilige und Märtyrer um sich. Er legte das schlafende Body-Trikot in die beschnitzte hölzerne Urne, die er in den bevölkerten Necrovilles von Viejo Mexico gekauft hatte. In den Spiegeln, die ringsum die Wände säumten, ähnelte Santiago jetzt keinem in ein filigranes silbernes Nanoschaltsystem gehüllten Engel mehr, sah er nicht mehr wie der Herr des Compu-Netzes aus. Er war nur noch Santiago Columbar. Siebenundzwanzig, knapp über zwei Meter groß und muskulös. Das schwarze Haar straff zu einem karg bemessenen Zopf gekämmt, der die geomorphe Festigkeit seiner Gesichtszüge betonte. Neurochemie-Künstler. Virtualisto. Früher hatte das genügt. Heute verhielt es sich anders. Es langte nicht mehr. Er war bloß noch Santiago Columbar. Schlicht und einfach. Ein alter Hut. Nackt. Voller Überdruss. Allein. Sterblich. Zu den zahlreichen architektonischen Exzentrizitäten, die Santiago von den Vorbesitzern seiner residencia übernommen hatte, zählte der Balkon. Dass er die Transformation der Räumlichkeiten durch Rekonstruktionstektoren überdauert hatte, musste als einzigartig gelten. Der ursprüngliche Hausbauer hatte die Absicht gehabt, auf dem nach Westen gelegenen Balkon im Kreis enger Freunde den Sonnenuntergang über den an Grün reichen Hügeln Copanangas zu genießen. Santiago benutzte ihn, um der Ankunft der Totenheerscharen zuzuschauen. Batisto, sein Totdiener, brachte Santiago agua minerale, leicht pétillante. Kräftigeres trank er nicht. Koffein und Alkohol verursachten in den präzis berechneten Kurven seiner Drogen erratische Variablen. In der Höhe wallten die Schleier des frühmorgendlichen Himmelszeichens. Topqualität-Gentech-Affen raschelten im Geäst der vielen Bäume Copanangas und schnatterten. Mit Beendigung der Sperrzeit hatten die seguridados und ihre mechadors - die Hüter der Nacht - sich zurückgezogen. Necrovilles Tore waren entriegelt worden, die Grenzen geöffnet. Die Wege der Lebenden und der Auferstandenen konnten sich kreuzen. Zwischen den Himmelszeichen der Morgen- und Abenddämmerung durften die Toten sich unter den Lebenden bewegen, dem Fleisch, doch nie als Gleichrangige. Leben blieb ungeachtet der Nanotechnik Leben, und Tod war Tod. So lautete das gerichtliche Grundsatzurteil im Fall Barantes. Seit vierzig Jahren wandelten Tote wieder auf Erden, aber keiner von ihnen hatte dabei Erfolg gehabt, diese Säule der neuen Weltordnung zu stürzen. Der Lauf der Geschichte sanktionierte die Präzedenz und verwarf Barantes' Anliegen. Wann, wo und mit welchen Beteiligte Leseprobe