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Die wilden Detektive

Roman

Erschienen am 18.03.2002
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783446201255
Sprache: Deutsch
Umfang: 684 S., 17 s/w Zeichng., 17 Illustr.
Format (T/L/B): 4.7 x 22 x 14.5 cm
Einband: Leinen

Beschreibung

Liebesgeschichten und Todesfälle, Morde und Fluchten, Irrenhäuser und Universitäten, Figuren, die verschwinden, und solche, die mirakulöserweise stets von neuem auftauchen: Alles kommt in diesem Roman des Chilenen Bolano vor, der eine der größten Entdeckungen der lateinamerikanischen Literatur ist.

Autorenportrait

Roberto Bolaño, 1953 in Chile geboren und nach dem Militärputsch von 1973 inhaftiert, ging ins Exil nach Mexiko und 1976 nach Spanien. 2003 starb er in Barcelona. Er erhielt zahlreiche Literaturpreise, darunter den National Book Critics Circle Award für die amerikanische Ausgabe seines Romans 2666. Bei Hanser erschienen zuletzt die Romane 2666 (2009), Lumpenroman (2010), Das Dritte Reich (2011) und Die Nöte des wahren Polizisten (2013) sowie der Erzählungsband Mörderische Huren (2014) und der Gedichtband Die romantischen Hunde (2017).

Leseprobe

Luis Sebastián Rosado, Party bei den Moores, mehr als zwanzig Personen, Garten mit angestrahltem Rasen, Stadtteil Las Lomas, Mexico DF, Juli 1976. Entgegen sämtlichen Möglichkeiten, die die Logik und das Spiel des Zufalls bereithalten, traf ich Piel Divina noch einmal. Ich weiß nicht, wie er meine Telefonnummer herausbekommen hatte. Seiner Version zufolge rief er zuerst in der Redaktion von Linea de Salida an, wo sie sie ihm gaben. Entgegen sämtlichen Vorsichtsmaßregeln, die mir der gesunde Menschenverstand diktierte (aber, verflucht noch mal, so sind wir Dichter eben, ist doch wahr!), vereinbarten wir noch für den gleichen Abend ein Treffen in einer Cafeteria im Süden der Avenida de Insurgentes, wohin ich manchmal ging. Allerdings erwog ich die Möglichkeit, daß er nicht allein zu der Verabredung erschien, aber als ich (mit einer halben Stunde Verspätung) hinkam, entschlossen, auf dem Fuße kehrtzumachen, sollte ich ihn in Begleitung erblicken, sorgte allein schon der Anblick von Piel Divina, wie er da schreibend über den Tisch gebeugt saß, dafür, daß ich in meiner Brust, die sich bis dahin taub, vereist angefühlt hatte, Hitze aufsteigen fühlte. Ich bestellte einen Kaffee. Ich sagte, er solle sich auch etwas bestellen. Er blickte mir in die Augen und lächelte verschämt. Er sagte, er habe kein Geld. Spielt keine Rolle, sagte ich, bestell, was du willst, du bist eingeladen. Daraufhin sagte er, er habe Hunger, und bestellte sich ein paar enchiladas. Hier machen sie keine enchiladas, sagte ich daraufhin. Aber sie bringen dir ein Sandwich, wenn du willst. Er schien einen Augenblick lang zu überlegen und sagte dann, einverstanden, ein Schinkensandwich. Insgesamt aß er drei Sandwichs. Wir saßen bis zwölf Uhr nachts und redeten. Eigentlich hätte ich diverse Leute anrufen und sie vielleicht treffen sollen, aber ich rief niemanden an, oder doch, ich rief meine Mutter von dort, von der Cafeteria aus an, um ihr zu sagen, ich käme später, die anderen Verabredungen schlug ich in den Wind. Worüber wir redeten? Über viele Dinge. Seine Familie, sein Heimatdorf, seine ersten Tage in der Hauptstadt, seine Schwierigkeiten, sich an das Leben in der Stadt zu gewöhnen, seine Träume. Er wollte Dichter, Tänzer und Sänger werden, fünf Kinder haben (so viele wie Finger an einer Hand, sagte er, streckte mir die Handfläche entgegen und hätte fast mein Gesicht gestreift), er wollte sein Glück in den Filmstudios von Churubusco versuchen, er sagte, Oceanski habe ihn schon mal zu einer Probe für ein Stück bestellt, er wollte malen (bis in die entferntesten Einzelheiten erzählte er mir von seinen Ideen für diverse Gemälde), also, ich jedenfalls war an einem bestimmten Punkt unserer Unterhaltung versucht, ihm mitzuteilen, daß ich absolut keine Vorstellung davon hätte, was er denn nun in Wirklichkeit vorhatte, blieb aber lieber still. Dann lud er mich ein, mit zu ihm nach Hause zu gehen. Ich wohne allein, sagte er. Ich fragte bebend, wo. In Roma Sur, sagte er, in einer Dachkammer, den Sternen nahe. Ich antwortete, eigentlich sei es ja schon ziemlich spät, nach zwölf, und ich müßte zu Bett, denn am nächsten Tag komme der französische Romancier J.M.G. Arcimboldi nach Mexiko, mit ein paar Freunden, und ich sei damit beauftragt, eine Führung zu den interessantesten Plätzen unserer chaotischen Hauptstadt zu organisieren. Wer ist dieser Arcimboldi? fragte Piel Divina. Herrgott, was für Ignoranten, diese Realviszeralisten! Einer der bedeutendsten französischen Romanciers, sagte ich, obwohl von seinen Werken bis jetzt kaum etwas ins Spanische übersetzt worden ist, das heißt bis auf ein, zwei Romane, die in Argentinien erschienen sind, tja, ich habe ihn natürlich auf französisch gel Leseprobe