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Die Stunde zwischen Hund und Wolf

Roman

Erschienen am 13.10.2008
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442466245
Sprache: Deutsch
Umfang: 187 S.
Format (T/L/B): 1.5 x 18.8 x 11.8 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Zwei Schwestern treffen nach Jahren wieder aufeinander. Ines, einst der verhätschelte Liebling des Vaters und später leidlich erfolgreiche Malerin und die Erzählerin, die stets unter ihrer Schwester gelitten hat: unter der ihr widerfahrenen stärkeren Zuneigung des Vaters, deren beruflichen Erfolg und nicht zuletzt unter Ines' Attraktivität. Doch die Vorzeichen haben sich geändert. Als Ines nach einem Sturz im Krankenhaus behandelt werden muss, lässt sich die Erzählerin auf eine Affäre mit Ines' Freund Kai ein - und kommt auf diesem Weg schließlich ihrer Schwester immer näher.

Leseprobe

Ich bin nichts, nichts als ein heller Umriss, an diesem Morgen, auf dem schmalen Korridor zwischen Becken und Glasfront des Schwimmbads, die x-fache Spiegelung eines vor Jahren beendeten Lebens, die schamlose Kopie eines ersten Satzes. Ich spürte einen kalten Luftzug durch die Ritzen der Scheiben, auf die in regelmäßigen Abständen Vogelsilhouetten geklebt waren. In seiner Glaskabine am anderen Ende der Halle, zwischen den Eingängen zu den Damen-und Herrenumkleidekabinen, saß der Bademeister, dick und wie immer in Weiß gekleidet. Mit seinem zufriedenen Gesicht erinnerte er mich an einen Konditor, der, noch in Arbeitskleidung, sein Tagwerk schon hinter sich hatte und nun hier herumsaß. Er widmete sich seinem Transistorradio, ich hörte nicht, für welche Musik er sich entschied. Ich ging, im schwarzen Badeanzug, barfuß und nass, zum Fünfundzwanzigmeterbecken, wo ich mich für einen Kopfsprung in Positur stellte. Vor einer Minute hatte sich meine Schwester verabschiedet. Sie war hier aufgekreuzt; ich wollte gerade ins Wasser, da sah ich sie aus der Umkleidekabine kommen; in der spiegelnden Glasfront des Schwimmbades beobachtete ich ihre Gestalt, die sehr weiß war, fast bläulich, das kam von den langen Reihen Neonstrahler an der Decke der Halle. Sie war auf mich zugegangen, hatte hallo gesagt, während ich einen Schritt zur Seite gewichen war, um ihrer Umarmung zu entkommen, eine Abwehr, die beinahe dazu geführt hätte, dass sie auf den nassen Fliesen ins Rutschen geriet, ihre Hände jedenfalls fielen ins Leere, sie taumelte, aber nur für einen Augenblick, dann fing sie sich wieder, sie ist geschmeidig, meine schöne Schwester, sie liegt nicht so leicht platt vor einem auf den Fliesen. Der Bademeister hatte hergeschaut, vielleicht war er sich unsicher gewesen, ob ich sie nicht geschubst hätte, ich zog eine Grimasse, er drehte den Kopf rasch wieder weg, hin zu dem Becken links von uns, das noch völlig unberührt dalag, eine glatte, blaue Fläche, ich folgte seinem Blick, wie gerne wäre ich jetzt dort eingetaucht, mit einem Kopfsprung, der die Wasseroberfläche so wenig wie möglich aufwühlte, um dann meine Bahnen zu ziehen, eine nach der anderen, bis die Gedanken sich automatisch abschalteten. Ines deutete auf den Whirlpool, klapperte ostentativ mit den Zähnen, klar, da wollte sie rein, sie hatte schon immer leicht gefroren, meine große Schwester. Wassertropfen funkelten auf ihrer Haut, ihr nasses Haar war dunkel, fast braun. Lange Beine, eine Taille wie eine Sanduhr. Was willst du hier? fragte ich, und sie zuckte die Achseln, dich treffen. Ich sah in Richtung der Glaskabine und dachte, dass es vermutlich irgendwo auf der Welt einen Konditor geben wird, der mich auf Anhieb an einen Bademeister erinnerte. Draußen, hinter der Glasfront, lag in winterlichem Dunkel das Außenareal verborgen. In dieser Jahreszeit war es unbenutzt, leer gepumpte Becken, Flächen von niedergetrampeltem Gras, das sich jetzt wieder erholen sollte, übereinandergestapelte, mit Planen zugedeckte und an Eisenketten gehängte Gebilde, Stuhlskulpturen, die vereinzelt neben den Bäumen standen, ich wusste das, konnte aber nichts von alldem erkennen, erst in gut einer Stunde würde es hell werden. Es hatte wieder angefangen zu regnen, die Tropfen, vom Wind herangetragen, schlugen gegen die Scheibe und rannen herunter; eine andauernde, stetige Abwärtsbewegung, seit Tagen regnete es, die Tage begannen spät und endeten früh, draußen war es eiskalt, ich bewegte mich von einem künstlich klimatisierten Ort zum nächsten. Schwimmbad, Redaktion, Bibliothek. Wenn ich nachts nicht schlafen konnte, räumte ich eine der Umzugskisten aus. Ich hatte Ines nicht gesagt, dass ich von Rom nach Frankfurt ziehen würde. Aus Gründen, die ich gern für mich behalte, hatte ich seit Jahren keinen Kontakt mehr zu meiner Schwester, das Ausland hatte es leicht gemacht, und es war mir lieber so, es ging mir gut dabei. An uns waren vier Schwimmer vorbeigekommen, die trainierten Waden zum Greifen nah, ich hatt Leseprobe