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Von der 'Vergegnung' zur Begegnung

Die besondere Beziehung zwischen Christentum und Judentum und die Bedeutung des christlich-jüdischen Dialogs für den Frieden, Jerusalemer Texte 19

Erschienen am 30.07.2018, 1. Auflage 2018
15,00 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783959483667
Sprache: Deutsch
Umfang: 139 S.
Format (T/L/B): 0.8 x 22.5 x 15.5 cm

Beschreibung

Die christlich-jüdischen Beziehungen nach 1945 sind nicht ohne ihre Vorgeschichte zu verstehen. Joanne Schmahl nimmt diese Beziehungen in den Blick. Sie tut dies vor dem Hintergrund der jahrhundertelangen kirchlichen Judenfeindschaft. Sie untersucht ausgewählte Texte aus dem Neuen Testament, um zu prüfen, ob deren Wurzeln des Antijudaismus bereits im Neuen Testament selbst liegen. Dabei kommt sie zu dem Ergebnis, dass der nicht in den neutestamentlichen Texten selbst, sondern vielmehr in deren Wirkungsgeschichte zu verorten sei. Dann skizziert die Verfasserin die weitere Entwicklung der kirchlichen Judenfeindschaft bis zum 20. Jahrhundert und geht auf die theologischen Neuanfänge nach 1945 ein, indem sie christliche Ansätze einer Theologie nach Auschwitz thematisiert. Mit Blick auf die derzeitigen Entwicklungen stellt die Verfasserin die Frage, ob überhaupt schon von einem Dialog gesprochen werden kann, und benennt bleibende Herausforderungen und Desiderata im christlich-jüdischen Dialog. Abschließend arbeitet die Verfasserin die friedensstiftende Dimension des christlich-jüdischen Dialogs heraus. In diesem Zusammenhang beschränkt sie sich nicht auf den christlich-jüdischen Dialog, sondern bezieht den (sonstigen) interreligiösen Dialog mit ein. Dieses Buch ist ein beeindruckendes Plädoyer für die Überwindung des Antijudaismus und die Vertiefung des christlich-jüdischen Dialogs.

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Verlag Traugott Bautz GmbH
Frau Susanne Bierwirth
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Leseprobe

1. Einleitung Im Laufe meines Bachelor- sowie meines Masterstudienganges hat mich die Frage nach der christlichen Judenfeindschaft bzw. den Vorurteilen gegenüber den Juden generell schon immer interessiert, in der Auffassung, dass diese Thematik vielmehr der Vergangenheit angehört als dass sie in unserer heutigen Gesellschaft noch salonfähig wäre, da ich in einer Zeit aufgewachsen bin, in der man einen deutlichen Prozess der zumeist positiven Veränderung in der Beziehung zwischen Christen und Juden in Erinnerung an die Judenverfolgung und systematischen -ermordung zur NSZeit wahrnehmen kann. Als aber nach einer Unterrichtsstunde einmal ein Schüler zu mir kam und mich fragte, ob der Gott im AT immer so strafend und rachsüchtig sei, weil die Juden ja auch Jesus getötet hätten, wurde mir schlagartig klar, dass das Thema des christlichen Antijudaismus und der sich mit diesem entwickelnden Vorurteile und Stereotypen gegenüber dem Judentum aktueller zu sein scheint, als mir bewusst war. Kurz darauf, zu Beginn diesen Jahres, häuften sich in den Medien zudem Berichte, nach denen jüdische Schüler in Deutschland Opfer von antisemitischen Beleidigungen und körperlichen Angriffen geworden seien. Aus den USA wurde außerdem über Schändungen von jüdischen Friedhöfen berichtet. Obgleich also zum einen eine deutliche WendeZeit und veränderte Haltung der Christen gegenüber den Juden festzustellen ist, lässt sich anhand der oben dargestellten Vorfälle schlussfolgern, dass zum anderen der Antisemitismus sowie eine negative Haltung gegenüber Juden wieder aufzukeimen bzw. noch lange nicht überwunden zu sein scheinen. Aber woher stammen diese negative, gar feindliche Haltung gegenüber den Juden und die noch heute bekannten antijüdischen Vorurteile über die Juden beispielsweise als Christusmörder eigentlich? Wie konnte der Völkermord im Dritten Reich überhaupt möglich sein und welche Folgen hat die Schoa für die christliche Theologie? Wie reagierten die beiden großen christlichen Kirchen auf die Schoa? Kann der christlich-jüdische Dialog dazu beitragen, diese Vorurteile gegenüber dem Judentum zu bekämpfen, sodass wir in unserer modernen Gesellschaft, in der religiöser Pluralismus selbstverständlich und alltäglich erfahrbar ist, friedlich miteinander leben können, indem wir Unwissenheit und Berührungsängste gegenüber unseren älteren Brüdern gemeinsam und dialogisch miteinander abbauen? Diesen Leitfragen folgend soll in dieser Untersuchung zum einen den Ursachen für die Judenfeindschaft nachgegangen und vor dem historischen Hintergrund der systematischen Judenverfolgung im Dritten Reich und der beinahe 2000 Jahre von Vergegnung geprägten Beziehung zwischen Juden und Christen der Prozess der Neugestaltung der christlich- jüdischen Beziehung und dessen historische Bedeutsamkeit aufgezeigt werden, um die bisherigen Erfolge und Verdienste hervorzuheben und diese neue Beziehung der Christen zum Judentum, wie wir sie heute energisch verfolgen und leben, nachhaltig zu stärken. Exemplarisch für diese Neugestaltung möchte ich jene Maßnahmen von Seiten der christlichen Kirche nach 1945 vorstellen, die maßgeblich zum Umdenken und zur Neuorientierung gegenüber den Juden beigetragen und den Weg für eine neue Etappe der christlich-jüdischen Beziehung geebnet haben. Mit Bezug auf die oben skizzierten Vorfälle soll diese Untersuchung aber auch dafür sensibilisieren, dass der Prozess der Aufarbeitung der von Feindschaft und Gewalt geprägten Geschichte von Juden und Christen noch lange nicht abgeschlossen ist. Auf Grundlage meiner Erkenntnisse werde ich den christlich-jüdischen Dialog abschließend auf etwaige For- schungslücken und noch wünschenswerten oder gar notwendigen Handlungsbedarf untersuchen und angesichts der oben angeführten Beispiele für den wieder aufkeimenden Antisemitismus in Deutschland und auf der Welt daraufhin überprüfen, inwieweit ihm eine friedensstiftende Bedeutung zugemessen werden kann. 2. Der Entstehungsprozess des Christentums vor dem zeit- und religionsgeschichtlichen Hintergrund der Lebenszeit Jesu Die unheilvolle Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Europa und auf der ganzen Welt ist heutzutage, vor allem nach der Schoa, jedem ein Begriff. Doch wie konnte es überhaupt zu diesem Völkermord kommen? Wo genau liegen die Ursachen für diese auch religiös motivierte Judenfeindschaft, dem christlichen Antijudaismus? Um diesen Fragen nachzugehen und besonders nach den Ursachen für die beinahe 2000 Jahre tradierte Judenfeindschaft zu forschen, soll zu Beginn dieser Arbeit der Blick zunächst auf die ältesten uns überlieferten Schriften gelegt werden, die das Verhältnis zwischen Juden und Christen beschreiben, das NT. Dazu soll zunächst der zeit- und religionsgeschichtliche Hintergrund der Entstehungszeit der ntl Schriften und der in den einzelnen Schriften erzählten Zeit, also das Leben und Wirken Jesu, im Fokus stehen. Da die Entstehungszeit und die erzählte Zeit z. B. der Evangelien nicht übereinstimmen und die ntl Schriften nie frei von subjektiven Färbungen des jeweiligen Autors sind und daher sehr stark situativ und innerhalb der Situation ihres historischen Entstehungskontextes zu bewerten sind, soll der Blick auf den religiösen und politischen Kontext zur realhistorischen Lebenszeit Jesu bis hin zur Verschriftlichung jener Schriften, die von seinem Leben erzählen, den Evangelien, gelegt werden. Daher werde ich weit in die Vergangenheit, nämlich in die Entstehungszeit des Christentums zurückgreifen. Da sich die Entstehung des Christentums mit Blick auf die Literatur jedoch sehr komplex gestaltete, kann es an dieser Stelle nicht mein Anliegen sein, den gesamten historischen Entstehungsprozess des Christentums mit all seinen Ursachen aufzuzei- gen. Vielmehr können im Folgenden nur einige zentrale Aspekte des Trennungsprozesses aufgeführt werden. Dass es sich bei der Entstehung des Christentums um einen langwierigen und konfliktreichen Prozess handelt, der nicht an einem einzigen Ereignis festgemacht werden kann, darin stimmen alle modernen Exegeten überein. Wann genau das Christentum als die uns heute bekannte, eigenständige Religion entstanden ist, lässt sich nicht genau datieren. Sicher bezeugt ist aber, dass es zur Entstehungszeit der ntl Schriften, der christlichen Glaubensgrundlage, noch nicht das Christentum oder die Christen gab, was vor allem dadurch gestützt wird, dass in den ntl Schriften selbst der uns so geläufige Terminus Christen an nur drei Stellen im ganzen NT überliefert ist. In zwei Erwähnungen der Apg, die die älteste Überlieferung des Begriffs Christen darstellen, wird das Adjektiv als nähere Bestimmung für die Jesu erwähnt und ein letztes Mal im 1. Petrusbrief. Jedoch dient dieses Adjektiv immerzu als Fremdbezeichnung, sie wird den Schülern und Anhängern Jesu von außen auferlegt. Auch in außerchristlichen Quellen des ersten nachchristlichen Jahrhunderts lässt sich erkennen, dass dieser Terminus keine Erwähnung findet, woraus ich schließe, dass die Unterscheidung bzw. Trennung von Juden und Christen noch nicht vollzogen wurde.9 Die älteste Überlieferung für den Begriff Christen als eigenständige Bezeichnung einer Gruppe sowie die zeitgleiche Einführung des Gegensatzpaares von Juden und Christen erscheint um ca. 114 n. Chr. bei Ignatius von Antiochia. Auch in anderen römischen Quellen, denen die Charakterisierung der Christusgläubigen als superstitio gemeinsam ist, taucht der Begriff Christiani ungefähr zur gleichen Zeit auf, wobei jedoch darauf hingewiesen werden muss, dass durch die historiographischen Zeugnisse von Sueton und Tacitus bekannt ist, dass die Christiani bereits unter Kaiser Nero als eigenständige religiöse Gruppe wahrgenommen wurden, aber auch diese Bezeichnung als Fremd- und nicht als Eigenbezeichnung zu bewerten ist. Daher wird die endgültige Trennung von Juden und Christen zumeist zu Beginn des 2. Jh. n....