Beschreibung
Eine meisterhafte Satire auf den Kunstbetrieb: Jelmer Verhooff ist der junge Direktor des 'Hollands Museum' in Amsterdam, ein hipper Aufsteiger innerhalb der Kunstwelt. Nun aber muß sein Museum wegen Brandschutzmängeln geschlossen werden. Als letzte Ausstellung vor der Schließung hat er sich etwas ganz Besonderes ausgedacht: Junge holländische Künstler sollen sich mit Meisterwerken der Sammlung auseinandersetzen. Der Titel der Schau: 'Duel. Dutch Artists Challenged by Modern Masters.' Besonders angetan ist er von einer jungen Malerin, die sich darauf spezialisiert hat, bedeutende Gemälde detailgenau zu kopieren. Diese wählt ein Schlüsselwerk von Mark Rothko und schafft ein verblüffend originalgetreues Abbild. Nach dem Ende der Ausstellung stellt dann allerdings der Restaurator des Museums fest, daß nun die Kopie in der Sammlung ist. Das Original wurde von der Malerin gestohlen. Und Jelmer Verhooff stellt seinerseits fest, daß Emma Duiker nicht nur Gemälde kopiert, sondern eine Konzeptkünstlerin ist, deren eigentliches Werk darin besteht, Rothkos Gemälde ohne jeden Hinweis auf dessen Wert und Bedeutung an alltäglichen Orten auf einfache Menschen wirken zu lassen. Verhooff macht sich sofort daran zu recherchieren, wo sich das Original befindet, um es zurückzustehlen. Er läßt Emma Duikers Computer hacken, und als er erfährt, daß sich der Rothko in der Schule für Lernbehinderte einer slowenischen Kleinstadt befindet, macht er sich zusammen mit dem Restaurator auf den Weg. Doch er hat Emma Duiker weit unterschätzt.
Autorenportrait
JOOST ZWAGERMAN (1963-2015) war einer der bedeutendsten niederländischen Autoren seiner Zeit. Er schrieb Gedichte, Essays, Erzählungen und Romane. Sein Erstling, DE HOUDGREEP ('Der Halt'), kam 1989 in Holland heraus und machte ihn sozusagen über Nacht berühmt. In Deutschland erschien zuerst sein großartiger dritter Roman FALSCHES LICHT (1995), es folgten DIE NEBENFRAU (2000, beide übersetzt von Rolf Erdorf), KUNSTLICHT (2002, übersetzt von Martina den Hertog-Vogt) und ONKEL SIEM UND DIE FRAUEN (2005, übersetzt von Gregor Seferens). Die Novelle DUEL wurde 2010 publiziert und im Rahmen der alljährlichen Niederländischen Buchwoche als 'Boekenweekgeschenk' (Bücherwochengeschenk) kostenlos in allen Buchhandlungen verteilt. Die Auflage lag bei über 950.000 Exemplaren.
Leseprobe
Verdammt, die Hand, die Faust! Jelmer Verhooff schaute auf die zerrissene Leinwand und spürte, daß irgendwo in seinem Innersten ein kleiner Knirps aufzustehen versuchte, der nach seiner Mutter rief. Nun ja, ein kleiner Knirps. Ein Junge. Ein großer Kerl. Ein großer Kerl von neun Jahren, der beim Schulschwimmen endlich den Kopfsprung gelernt hatte und der am Ende dieser Schwimmstunde, während der letzten zehn Minuten des 'freien Schwimmens' und unter den Augen all seiner Klassenkameraden, furchtlos auf das hohe Sprungbrett stieg, fast sechs Meter hoch. Er wollte der ganzen Welt zeigen, wer er war. Der große Kerl stieß sich mit den Fußballen ab - und von dem Moment an, als seine Füße vom Sprungbrett federten und er das Wasser auf sich zukommen sah, wußte er, daß er einen entsetzlichen Fehler gemacht hatte. Als er mit dem Bauch auf der Wasseroberfläche landete, brannte seine Haut sofort lichterloh. Sobald er unter Wasser war (und immer noch brennend), sah und hörte er nichts mehr, und der große Kerl wünschte, er würde nie wieder auftauchen. Am Beckenrand stand natürlich die ganze Klasse, achtundzwanzig Schüler mit Stielaugen, die nicht wagten zu lachen - das taten sie erst später, im blau-weiß gefliesten Umkleideraum und im Bus zurück zur Schule, und dieses Lachen sollte das ganze Schuljahr lang anhalten, ein Tornado aus Gejohle und Gekicher. Doch zuerst waren da die Hände, die er auf dem Rücken und um die Taille fühlte. Wie sich zeigte, war der Bademeister mit Kleidern und allem hinter ihm hergesprungen und lotste ihn mit fester Hand zum Beckenrand. Prusten, husten, schlucken, heulen. Der große Kerl mußte auf dem Rücken liegen bleiben, auf den kalten Fliesen. Sein Bauch war knallrot. Vielleicht, dachte er, geht die Farbe nie wieder weg. Sein Gesicht brannte am stärksten. In den Tagen nachdem seine Hand, halb zur Faust geballt, die Leinwand berührt hatte, mußte Verhooff des öfteren an jenen Nachmittag im Schwimmbad denken. Aber konnte man die beiden Situationen wirklich miteinander vergleichen? Was kostete gechlortes Wasser eigentlich? Hing ein Preisschild an all den Kubikmetern Wasser im Schwimmbad? Das Wasser hatte ihm Schmerz zugefügt, doch hatte er auch das Wasser beschädigt? Ach, was! Über den Wert der zerrissenen Leinwand würde niemand Scherze machen. Der betrug - er hatte zur Sicherheit bei Olde Husink nachgefragt - schlappe dreißig Millionen Euro. Das war eine konservative Schätzung. Und dann die komische Figur, die er bei dem ganzen gemacht hatte. Achtundzwanzig Klassenkameraden hörten, so kam es ihm vor, das ganze Schuljahr lang nicht auf zu lachen. Haha, da kommt der Ziegelstein Verhooff! Wenn herauskam, daß er eigenhändig Untitled No. 18, 1962 beschädigt hatte, von wem würde er dann bis ans Ende der Zeiten verspottet und ausgelacht werden? Er mußte Realist sein: von - und auch das war eine konservative Schätzung - der ganzen Weltbevölkerung.