Beschreibung
Mit Russlands Überfall auf die Ukraine ist ein Phänomen in die soziale Wirklichkeit Europas zurückgekehrt, das lange Zeit überwunden schien: das Leben unter militärischer Besatzung. Worin besteht die eigentümliche Realität von Besatzungsgesellschaften, in denen weder Krieg noch Frieden herrscht, Gewalt aber immer gegenwärtig ist? Mit welchen Strategien arbeiten die Besatzer? Und wie gestaltet sich das alltägliche Zusammenleben von Soldaten und Zivilisten, in dem beide Gruppen gezwungen sind, beständig miteinander zu interagieren? 'Die verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung rühren daher, dass die Machtverhältnisse unter Besatzung, einer kriegsinduzierten Fremdherrschaft, stets hochgradig asymmetrisch sind. Sie geht mit der Entmündigung von Staatlichkeit einher, greift aber zumindest zum Teil auf die Institutionen des entmündigten Staates zurück, um ihre Herrschaft durchzusetzen - schon allein weil Besatzungsmächte ohne diesen Rückgriff personell selten in der Lage waren und sind, das militärisch unterworfene Gebiet zu verwalten. Aus der Perspektive der Besetzten bedeutet dies, mit der physischen wie regulativen Präsenz der Besatzer konfrontiert zu sein.' Tatjana Tönsmeyer