Beschreibung
Der neue Geniestreich des wilden Flamen: die Geschichte der Menschheit als bitterböse Satire. Das neueste Werk des jungen wilden Flamen aus den wallonischen Bergen ist eine Menschheits-, Technik- und Kulturgeschichte in schnoddrigen Kommentaren, krassen Bildern und funkensprühenden Sätzen. Ein Pamphlet, das dem Menschen den Spiegel vorhält und seinen Werdegang vom Wasserwesen zum Erbauer der Atombombe, seine Entwicklung im Zeichen des Fortschritts als einen einzigen Zug der Verheerung und Weltzerstörung beschreibt.
Produktsicherheitsverordnung
Hersteller:
Luchterhand Literaturverlag Penguin Random House Verlagsgrup
ann.schnoor@penguinrandomhouse.de
Neumarkter Str. 28
DE 81673 München
Leseprobe
Aller Anfang ist schwer. Sieh nur: Es kriecht aus dem Wasser, ohne sich umzudrehen. Es könnte noch einen letzten Blick auf den Ozean werfen, aus einem Gefühl ehrfürchtigen Heimwehs, doch das tut es nicht. Es hat nämlich genug davon, auf den sandigen Gründen der uranfänglichen Wasser herumzukriechen, genug von den Eichel- und Pfeilwürmern, den Chorda- und Manteltieren, den Schädellosen, mit denen es Jahrmillionen die Meere geteilt hat. Es sagt Adieu den Quastenflossern, den Muscheln und Schollen, Lebwohl den Knurrhähnen, Rochen und Brassen, will nicht mehr mit Lachsen und Aalen im selben Urelement zusammenleben. Verabschiedet sich von den Seeteufeln und wünscht auch den Barschen stets ein Kiemendick Wasser unter den Flossen, doch kann es den Versprechungen einer rosigen Zukunft nicht mehr widerstehen und verlässt das kühle Nass. Na los, es scheißt noch ein letztes Mal kräftig in die See, mit diesem Akt symbolisch seinen Entschluss unterstreichend, legt sich dann zum Abtropfen und Trocknen dorthin, wo schon die Perlhirse keimt, und zieht danach in den Dschungel, um sich in ein erschröckliches Monster mit dicken Knochen, Talgdrüsen, meterlangem Gedärm und einer Speckschicht zu verwandeln. Und Haaren, unglaublich viel Haaren vom Kopf bis zu den Pfoten, in denen Flöhe und Zecken ein einfaches Leben führen, indem sie den Wirt so jucken, dass der sich kratzen muss, bis seine Haut in Fetzen hängt und sie aus seinem Blut ihr Festmahl machen. Wie spät ist es? Früh, es ist noch früh. Früher ist fast unmöglich. Der Tag ist jung und frisch, und nichts steht fest. Und als das Wetter dann endlich etwas milder wird, verlässt es allmählich den feuchten Schatten des tropischen Regenwalds und durchstreift die Savannen, mal in den Bäumen, mal unter ihnen. Es hat sich, wie so viele, die das heilige Wasser verließen, in Schwanz- und Spaltenträger geteilt. Doch ist es, mit Ausnahme des weiter nicht zählenden Bonobos, das einzige Wesen - und wird das auch bleiben -, bei dem das Männchen das Weibchen von vorne nimmt und mit Nachkommenschaft vollpumpt; so kann das Männchen die Angst und den Hass in der groben Visage des Weibchens betrachten, die Abneigung und den Ekel. Es paart sich im Gestank gegenseitiger Mundgerüche - aufeinander, kreuz und quer. Denn sonst ist nicht viel zu tun. Beeren fressen und in der Erde nach Riedgraswurzeln zum Auslutschen graben. Es säuft Pfützen leer, knackt Nüsse und lässt sich ab und zu Ameisen ins gefräßige Maul spazieren: herrliche Termiten, die es auf einem Zweig gesammelt hat, saftig und vitaminreich. Das sind seine Aktivitäten. Das und den Mond anheulen, aus Übermut. Oh, wie herrlich, aus dem Wasser gekrochen zu sein, wo man gedankenlos laichte, Schleimfäden herumspritzte oder ein paar Zellen teilte, um fruchtbar die Meere zu füllen. Und wie herrlich, all dies zu bedenken, wenn man sich auf dem Baum zum Schlafen legt, im Frieden mit sich und den Vögeln. Doch es wird warm. Zu warm. Die Früchte verdorren, und die Bäume verkümmern. Zur Mittagsstunde sengt die Sonne ihm wütend den Pelz. Sein Rücken scheint zu verbrennen. Und um der Sonne eine kleinere Angriffsfläche zu bieten, macht es sich größer, richtet sich auf. Was für ein Schlingel. So! Jetzt sind nur noch Kopf und Schultern der Sonne ausgesetzt, der Rest seines Körpers braucht nicht mehr zu braten. Sieh mal, freihändig! Es geht auf den Hinterbeinen! Es kann Obst pflücken und in der Nase bohren, ohne seinen Weg dafür unterbrechen zu müssen. Drollig. Hundertzwanzig Zentimeter misst es jetzt, groß genug, um über das Gras der Savanne hinwegzublicken. In seinem vor Hitze fast kochenden Kopf befindet sich, außer hier und da etwas Rotz, ein gut 650 Kubikzentimeter großes Stück Dreck: seine Hirnzellen, Kommandeure des Vögelns und Fressens. 650 Kubikzentimeter pure Lebensfreude, und die will sich austoben, jawohl. Wär das möglich? Doch es gibt nichts zu futtern, und die Weibchen sind trächtig oder haben ein Junges an den Zitzen, was sie lustlos und unfruchtba