Beschreibung
Georg Elser und Faller - zwei Einzelkämpfer: der eine scheitert 1939 im Münchner Bürgerbräukeller mit seinem Attentat auf Hitler, der andere mit dem Versuch, diese Geschichte für unsere Gesellschaft zu rekonstruieren. Sobo Swobodnik legt ein einfühlsames Doppelportrait aus kunstvoll komponierter Fiktion und authentischer Geschichtsschreibung vor. Wenige Tage vor Kriegsende wurde der Hitler-Attentäter Georg Elser hingerichtet. Mehr als ein halbes Jahrhundert später macht sich ein Geschichtsstudent aus Berlin auf die Suche nach den Spuren seines Helden von der Schwäbischen Alb. Diese Suche konfrontiert Faller mit seiner eigenen Heimat und Biographie, Geschichte und Geschichten verschwimmen: Warum wurde Elsers nie wirklich gedacht? Fallers ehemaliger Geschichtslehrer stößt ihn auf Sonderbares: rechtsradikale Netzwerke, der mysteriöse Unfalltod eines Studenten, und eine 'femme fatale', die in ihm den Helden erwecken möchte. Faller reißt die Rolle des Widerstandskämpfers an sich, aber gegen wen er kämpft, weiß er im Strudel sich widersprechender Aussagen immer weniger. Sobo Swobodnik erzählt nicht nur sensibel die Biographie Georg Elsers, sondern auch, wie Geschichte in Geschichten zerfällt, in denen man die Orientierung verlieren kann. So entsteht das Portrait einer Landschaft und ihrer Menschen, ein Roman über die Aktualität des Geschehenen und die Unmöglichkeit des Verdrängens.
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Autorenportrait
Sobo Swobodnik wurde 1966 auf der Schwäbischen Alb geboren, studierte zunächst Mineralogie, bevor er eine Schauspielausbildung absolvierte. Seit mehreren Jahren arbeitet er als Autor in Berlin. 2002 erschien seine bitterböse Abrechnung mit »Altötting« - sein erster Roman nach zahlreichen Kinderbüchern. »Fallers Held« entstand im Rahmen eines Stipendiums des Stuttgarter Schriftstellerhauses.
Leseprobe
Er war da. Die ganze Nacht durch war er gefahren. Jetzt saß er in seinem alten VW Golf im Hof und schaltete den Motor aus. Die Lichter auf der Armaturenanzeige erloschen. Draußen war es noch immer dunkel und ruhig. Leise hallte der Motor in Fallers Kopf nach, die Lüftung blies keine warme Luft mehr ins Wageninnere. Das Auto schien mit Schaumstoff ausgestopft zu sein. Faller dachte an Juri Gagarin und das Foto aus dem sechs Kilo schweren 100-Jahre-Buch, in dem das vergangene Jahrhundert in 1000 Abbildungen festgehalten war. Er hatte sich das Foto herauskopiert und über den Schreibtisch gehängt. Der sowjetische Kosmonaut wartete halb liegend in seinem roten Raumfahrtanzug, den weißen Helm über dem Kopf, auf den Start zur ersten bemannten Raumfahrt. Die Augen halb geschlossen, die Gesichtszüge völlig entspannt. Er sah aus, als würde er schlafen oder wäre tot; nur noch von den breiten Gurten an den Sitz gebunden. Wenige Minuten später würde er durch den Weltraum fliegen und die Erde als erster Mensch in 300 Kilometer Entfernung umkreisen. Beim Blick aus dem Fenster funkt er an die Bodenstation: "Dunkel, Genossen, ist der Weltraum, sehr dunkel." Langsam ging die Sonne auf. Faller hätte jetzt aussteigen, den Schlüssel unter der Gartenbank vor dem Haus nehmen und die Tür aufsperren können. Statt dessen blieb er sitzen. Er sah durch die sich langsam beschlagende Windschutzscheibe in den Hof und kurbelte das Seitenfenster herunter. Kühle Morgenluft strömte zwischen Glas und Dachholm ins Wageninnere. Es roch nach Jauche, nach Bauernhof und Dorf. Es roch nach Herbst und dem lange nicht mehr wahrgenommenen Geruch, mit dem er früher einmal Heimat assoziiert hatte. Die Kälte legte sich auf die Polyestersitze, auf die Armatur und auf Faller. Es fröstelte ihn. Die Härchen auf den Armen richteten sich auf. Seine Haut zwischen Wangenknochen und Kinn juckte. Nicht kratzen, dachte er, sonst wird es nur noch schlimmer.
Schlagzeile
Am 9. April 2005 jährt sich zum 60. Mal der Todestag von Georg Elser.