Beschreibung
Führungskräfte übernehmen für das Unternehmen Führungsaufgaben und sollen möglichst hohe Gewinne erzielen. Gleichzeitig sind sie aber abhängig Beschäftigte wie die anderen Arbeitnehmer auch. Welche Auswirkungen hat diese Doppelrolle auf die Einstellung der Führungskräfte zu betrieblicher Mitbestimmung und Partizipation? Die Studie kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass Führungskräfte dem Modell der Mitbestimmung durchaus positiv gegenüberstehen. Mit ihrer Untersuchung bieten die Autoren wichtige Erkenntnisse über die Arbeitsorientierungen und Partizipationserwartungen der wachsenden Gruppe von Akademikern und Führungskräften in der Arbeitswelt.
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Autorenportrait
Fabian Hoose und Sebastian Jeworutzki sind wissenschaftliche Mitarbeiter an der Universität Bochum, Ludger Pries ist dort Professor für Soziologie.
Leseprobe
Seit jeher befinden sich Fach- und Führungskräfte in der Wirtschaft in einem schwierigen Spagat. Sie sollen einerseits im Auftrag der Unternehmensleitung Geschäfte und Menschen führen, andererseits sind sie abhängig beschäftigt wie die anderen Arbeitnehmer in den Betrieben auch. Von Seiten der Eigentümer und Shareholder werden sie nicht selten kritisch beäugt. Denn auch wenn sie sich voll im Unternehmensinteresse engagieren, verfolgen sie immer auch eigene Interessen, die mitunter nicht vollständig mit den Unternehmenszielen übereinstimmen. Bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sprach Adolf August Berle von der neuen Managerklasse, die Macht ausübe, ohne Eigentum zu besitzen. Auch von Seiten der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften wurden die Führungskräfte meistens misstrauisch behandelt. Schon Karl Marx hatte sie als "Charaktermasken des Kapitals" bezeichnet. Obwohl in den immer größer werdenden Unternehmen des 20. Jahrhunderts zu hunderten und tausenden in den großen Betrieben angestellt, wurden die Fach- und Führungskräfte doch aus den Strukturen kollektiver Interessenvertretung durch Gewerkschaften und betriebliche Interessenvertretungen zunächst fast vollständig ausgegrenzt. Die Gewerkschaften sahen in ihnen meistens zu unsichere Kantonisten für eine klassenorientierte oder auf kämpferische Auseinandersetzungen ausgerichtete Interessenpolitik. Aufgespannt zwischen den Lebenslagen und Interessen anderer sozialer Gruppen wie der Unternehmer und der Lohnabhängigen steht die Kategorie Fach- und Führungskräfte selbst bei genauerer Betrachtung für eine äußerst heterogene Gruppe. Sie reicht von den formal abhängig beschäftigten Mitgliedern von Geschäftsleitungen und Vorständen über die leitenden Angestellten mit Prokura bis hin zu den anderen außertariflichen Angestellten, die nur in begrenztem Umfang Führungsaufgaben und Personalverantwortung wahrnehmen. Führungskräfte werden nicht als solche geboren, der Anteil der Führungsaufgaben steigt im Verlauf des Berufslebens. Sie kennen also durchaus die Bedingungen, Interessen und Erwartungen der anderen Arbeitnehmer in ihren Organisationen. Sie haben auch selbst Erfahrungen in der individuellen oder kollektiven Vertretung ihrer Interessen gemacht. In großen Unternehmen wurden sie als Arbeiter oder Angestellte teilweise viele Jahre nach tarifvertraglichen Bestimmungen entlohnt, vielfach auch waren sie in einer Gewerkschaft organisiert. Nach Eintritt in eine Führungsposition behalten sie diese Mitgliedschaft nicht selten bei und/oder treten einem Fachgruppenverband wie dem Verband angestellter Akademiker und leitender Angestellter der chemischen Industrie e.V. (VAA) bei. Fach- und Führungskräfte haben also in aller Regel auch Erfahrungen mit den betrieblichen und unternehmensbezogenen Formen der Mitbestimmung und Arbeitnehmerpartizipation gemacht. Das Spannungsfeld, in dem Führungskräfte zwischen Arbeitgeberrolle und Arbeitnehmerposition sich bewegen, hat sich nun in den letzten zwanzig Jahren nicht gelockert, sonder eher noch verschärft. Die Aufgaben sowie die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Führungskräften haben sich erheblich gewandelt. Die Globalisierung von Wertschöpfungsketten, die zunehmende Elektronisierung der Informationsverarbeitung, härter werdender Wettbewerb zwischen Betrieben und Unternehmen und ein schnellerer Rhythmus des Wandels von Produkten, Produktion und Organisation haben auch die Arbeitsbedingungen und die Aufstiegsmöglichkeiten der Fach- und Führungskräfte weitgehend verändert. Viele Erwerbskarrieren von Führungskräften sind heute nicht mehr nur auf ein Unternehmen bezogen. Es gibt Hinweise darauf, dass die durchschnittliche Betriebszugehörigkeitsdauer von Führungskräften abnimmt (vgl. Erlinghagen 2006: 21). In leitende und Vorstandspositionen werden immer häufiger Führungskräfte von außen und nicht aus dem eigenen Unternehmen rekrutiert. Die Arbeitsverdichtung hat auch für Führungskräfte ein erhebliches Ausmaß angenommen. Gleichzeitig sind die Ansprüche an Fach- und Führungskräfte gewachsen, sich stärker auch um die Familie und andere Lebensbereiche zu kümmern. Das alte Modell des alleinernährenden vollzeitbeschäftigten Mannes ist in die Krise geraten. Schließlich ist auch die Entwicklung von Wissen so rasant, dass Fach- und Führungskräfte nirgendwo mehr sichere Inseln der Wertschätzung ihrer in Ausbildung und durch Erfahrung erworbenen Kompetenzen vorfinden können. Große Bestechungsskandale wie etwa bei Siemens sowie die internationalen Kampagnen für "Corporate Social Responsibility" erfordern ein jederzeit korrektes und transparentes Arbeitshandeln. Kurzum: Von allen Seiten wachsen die Erwartungen an Fach- und Führungskräfte. Wie gehen die Führungskräfte mit diesen geänderten Rahmenbedingungen ihrer Arbeit und Beschäftigung um? Von welchen Interessen und Orientierungen lassen sie sich in ihrer Arbeit leiten? Welche Erwartungen haben sie im Hinblick auf die Beteiligung in Arbeitsprozessen und an Unternehmensentscheidungen? Nähern sich Führungskräfte in ihren Arbeits- und Partizipationsorientierungen etwa den anderen Gruppen abhängig Beschäftigter an? Oder wollen sie vielleicht eher ohne die anderen betrieblichen Beschäftigtengruppen als Gewinner der Umbruchprozesse hervorgehen? Gerade im Hinblick auf die Mitbestimmung wurden seit den 1990er Jahren vor allem von Arbeitgeber- und politischer Seite erhebliche Einwände formuliert. Die deutsche Unternehmensmitbestimmung sei ein "Irrtum der Geschichte" in einer zunehmend globalisierten Wirtschaft urteilte der ehemalige Vorsitzende des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski. Sie verursache hohe Kosten und schränke die unternehmerische Entscheidungsfreiheit ein. In diesem Argumentationszusammenhang wurde vor allem die "Flexibilisierung" beziehungsweise die Aufweichung der Unternehmensmitbestimmung, also der Beteiligung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat gefordert. Welche Position nehmen Führungskräfte hierzu ein? Dies wurde inzwischen in einem größeren Forschungsvorhaben ausführlich analysiert (Jürgens/Lippert 2005). Dabei zeigte sich eine grundlegende Zufriedenheit der leitenden Angestellten mit den Möglichkeiten der Unternehmensmitbestimmung. Insgesamt erwarteten sie eine Verbesserung der Aufsichtsratsarbeit vor allem auf der operativen Ebene, ohne jedoch Notwendigkeiten für gesetzliche Veränderungen zu sehen. Und wie stehen die Führungskräfte zu den institutionalisierten Formen und Organen der betrieblichen Mitbestimmung? Diese Frage ist von besonderer Brisanz, denn für Führungskräfte ergibt sich ein nicht unerhebliches Dilemma. Für die leitenden Angestellten wurde 1988 per Gesetz das Organ der Sprecherausschüsse geschaffen. Für diejenigen Fach- und Führungskräfte, die zwar als außertarifliche, aber nicht als leitende Angestellte tätig sind, ist weiterhin das betriebsverfassungsrechtliche Organ der Betriebsräte zuständig. Wird diese Dualität von Vertretungsmechanismen durch die Führungskräfte als angemessen bewertet? Hat sich in ihren Augen die Einrichtung der Sprecherausschüsse bewährt? Wie stehen Sie zur Arbeit der Betriebsräte? Sehen die Führungskräfte gesetzlichen Handlungsbedarf im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung? Diese hiermit aufgeworfenen Fragen sind nicht nur für die Führungskräfte selbst von Belang. Es kann weder den anderen Beschäftigtengruppen, noch den Interessenverbänden und der Politik gleichgültig sein, mit welchen Arbeits- und Partizipationsorientierungen die Fach- und Führungskräfte der deutschen Wirtschaft ihre Tätigkeit ausüben. In einer zunehmend komplexer werdenden und von Wissensverarbeitung bestimmten Wirtschaft sind zwar alle Beschäftigtengruppen für die Prozesse der Leistungserstellung von großer Bedeutung. Aber für die Führungskräfte gilt dies in besonderem Maße, weil sie in den herausgehobenen und verantwortlichen Schaltpositionen der Organisationen tätig sind.
Inhalt
Vorwort7 1 Führungskräfte im Spannungsfeld11 2 Fach- und Führungskräfte in der sozialwissenschaftlichen Forschung17 2.1 Arbeitssituation der Führungskräfte17 2.2 Führungskräfte und Partizipation22 2.3 Führungskräfte und der globale Wandel26 3 Führungskräftebefragung Chemie34 3.1 Untersuchungsfeld34 3.2 Untersuchungsmethode43 3.3 Stichprobenqualität47 4 Unterscheidungsmerkmale und Charakteristika von Führungskräften50 4.1 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen52 4.2 Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen56 4.3 Zentrale Interessenlagen59 5 Arbeitsorientierungen von Führungskräften69 5.1 Erwerbsarbeit im Kräftefeld institutioneller Strukturierung69 5.2 Institutionelle Prägung von Arbeitsorientierungen73 5.3 Empirische Analyse der Arbeitsorientierungen75 5.4 Persönliche Merkmale und empirische Orientierungstypen84 5.5 Bestimmungsgründe der Arbeitsorientierungen91 6 Führungskräfte und betriebliche Mitbestimmung99 6.1 Beteiligungsstrukturen102 6.2 Verbandliche Interessenvertretung106 6.3 Bewertung betrieblicher Mitbestimmung108 6.4 Bestimmungsgründe der Zufriedenheit mit dem Sprecherausschuss121 6.5 Bestimmungsgründe der Zufriedenheit mit dem Betriebsrat125 6.6 Individuelle Beteiligungsstrukturen129 6.7 Präferenzen in der Ausgestaltung der Interessenaushandlung133 6.8 Führungskräfte und die betriebliche Mitbestimmung142 7 Fazit144 Abbildungsverzeichnis158 Tabbellenverzeichnis160 Abkürzungen162 Literatur164