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Die goldene Kriegerin

cbj

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Erschienen am 09.03.2009
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783570132203
Sprache: Deutsch
Umfang: 384 S.
Format (T/L/B): 4 x 22 x 14.2 cm
Lesealter: 12-99 J.
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

"Federica de Cescos Frauenfiguren sind eigenständig, leidenschaftlich und kraftvoll." Neue Zürcher Zeitung »Ich mag selbstbewusste Mädchen und Frauen, die - ohne es an die große Glocke zu hängen - das Richtige im richtigen Augenblick tun.« Federica de Cesco "Federica de Cesco versteht es meisterhaft, ein dichtes Netz von Symbolen und Ahnungen zu knüpfen, deren beunruhigende Zeichenhaftigkeit den Leser in einen suggestiven Sog zieht. Abseits von rationalen Kategorien entfaltet sie eine Sprache von großer Poesie und Feinheit ..." AB 40

Produktsicherheitsverordnung

Hersteller:
cbj Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
ann.schnoor@penguinrandomhouse.de
Neumarkterstr. 28
DE 81673 München

Autorenportrait

Federica de Cesco, geboren in der Nähe von Venedig, verbrachte ihre Kindheit an wechselnden Orten in Italien, Eritrea, Deutschland und Belgien. Bereits mit sechzehn Jahren schrieb sie ihr erstes Jugendbuch, das sofort ein großer Erfolg wurde. Seitdem hat

Leseprobe

JE NACH LICHT UND JAHRESZEIT verändern sich die Wälder. Unsere Dichter haben schöne Worte für den Frühlingsabend, für den blanken Sommermond, für das rote Herbstlaub oder die Schneeflocken im Wind. Ich war eine schlechte Dichterin und noch immer macht mich der Anblick schöner Dinge sprachlos. Verglichen mit meinen Geschwistern war ich eigentlich die Dümmste. Und weil ich nicht wollte, dass sie über mich lachten, unterdrückte ich rücksichtslos jeden Impuls, meine Gefühle zu zeigen, und sei es auch nur in der Dichtkunst. Unsere Lehrer verglichen mich kopfschüttelnd mit meiner Schwester Yamabuki, die Unvergessliche. Ich nahm den Tadel demütig hin, bewunderte stillschweigend Yamabukis mühelose Gabe, Gedichte zu verfassen. Man musste sie selbst gehört haben, um den Eindruck zu verstehen, den sie auf uns machte. Obschon meine Schwester weder Gegenwart noch Zukunft kennt, ist ihre Schönheit immer noch lebendig. Auch ich gehöre ja der Vergangenheit an. Die Bauern, die in den Bergwäldern leben, erkennen mich nicht, wenn ich ihnen helfe, Reisig zu sammeln. Sie staunen, wenn ich - eine alte Frau - schwer beladen mit ihnen wandere und sie bis in ihre Dörfer begleite, wo ich ihr einfaches Mahl teile. Ich pflege ihre Tiere, wenn sie krank oder verletzt sind, helfe den Stuten, wenn sie ihre Fohlen zur Welt bringen. Manchmal setze ich mich zu den Frauen, die ihren Webstuhl ans Fenster rücken und das Schiffchen werfen: Meine Hände sind stark und flink und draußen singt die Nachtigall zum Klang der surrenden Räder und dem Stampfen. Ich bringe den Männern bei, sich ihre Schwerter zu schmieden. Die Männer hämmern das Eisen, wie ich es ihnen sage, und das Werk gelingt. Ich lehre sie auch, mit ihren Waffen umzugehen, damit sie Räuber und Plünderer verjagen können, denn wir leben in unruhigen Zeiten. Die Leute nennen mich respektvoll die "Alt-Weise der Berge". Sie fragen mich manchmal, wer ich denn wirklich bin, woher ich denn komme. Doch ich gebe mich nur ganz selten zu erkennen. Obwohl ich noch in der Welt und mit der Welt lebe, bin ich in Wahrheit schon weit weg. Wenn ich nachts allein durch die Berge streife, mit den Tieren spreche oder einer einsamen Drossel lausche, tauchen aus dem Nebel Gestalten auf. Ich höre Geräusche und Klänge von einst, und aus der Ferne eine Stimme, die mir vertraut ist. Wie man es oft in Träumen erlebt, ist es meine eigene Stimme, die ich höre; jene Stimme, die ich einst hatte, hell und schneidend wie die Stimme eines Vogels. Ich erkenne auch den Namen wieder, den ich rufe: "KomaoMaru!" Und wie ein Echo aus fernen, verblassten Zeiten erreicht die Antwort mein Ohr. "Tomoe! Wo bist du? Ich kann dich nicht finden!" "KomaoMaru", sage ich dann. "Nun warte doch, ich komme schon." Dabei ertappe ich mich, wie ich Verwünschungen vor mich hin brummele. Er ist noch so ungeduldig wie früher. Daran wird sich wohl nie etwas ändern. Es ist auch nicht mehr wichtig - der Kummer des Verlustes ist verblasst. Zurück bleibt nur die Erinnerung. Ich bewahre sie in mir, obwohl ich sie selten betrachte. Den gestrigen Tag vergesse ich manchmal. Doch die weit zurückliegenden Dinge stehen vor mir, als wären sie gerade erst geschehen. Und oft, wenn mir ein Ereignis durch den Kopf geht, blitzt die Erinnerung wie ein Sonnenstrahl vor mir auf. Eine Landschaft, die heute nicht mehr besteht, nimmt die scharfen Umrisse der Wirklichkeit an. Wasser rauscht über blanke Steine, es riecht nach Baumrinden und Wildblumen, und über das Tal gleiten die Schatten vereinzelter Wolken. Das Laub wispert in den sanften Farben des Sommers, der Himmel leuchtet hell und ich bin wieder jung. KISO ICH DENKE VIEL über mein Leben nach, über die guten und die schlechten Tage; über die Menschen, die ich gekannt habe und die jetzt nur noch Asche sind. Ich betrachte die Bilder wie in einem Bronzespiegel, sehe sie klar und ungetrübt und vollkommener als jemals zuvor, weil sie gewesen sind und sich nie mehr ändern werden, weder heute noch in tausend Jahren. D Leseprobe