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Gemeinsam sind wir unausstehlich

Roman, Ullstein Belletristik 28108 - Ullstein Taschenbuch 28108

Erschienen am 14.10.2009
8,95 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783548281087
Sprache: Deutsch
Umfang: 312 S.
Format (T/L/B): 2.7 x 18.9 x 12 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Westberlin, Anfang der 80er: Monika, Zehntklässlerin, wächst in einer typischen Spießerfamilie mit Schrankwand und Schnittchen auf. Zum Glück darf sie ab und zu 'Ferien bei den Hottentotten' machen, in der Landkommune ihres großen Bruders. Dort lernt sie Atomkraftgegner und Verehrer von Biogemüse kennen. Und plötzlich steht Monika zwischen zwei Jungs: Ludger, verwöhnter Sohn eines Bankers und der Traum aller Schwiegermütter, und Tom, langhaariger Softie mit Hang zur Zweitfreundin. Wer wird das Rennen machen?

Leseprobe

Gemeinsam sind wir unausstehlich Endlich, die zehnte Klasse war zu Ende. Mein Zeugnis reichte aus, um die gymnasiale Oberstufe meiner geliebten Gesamtschule zu besuchen. Aus ursprünglicher Verachtung war Liebe geworden. Hatte ich in den ersten Wochen noch an jeder Ecke einen Drogendealer vermutet, so war ich heute schon stolz, wenn jemand es wagte, seinen Kaugummi auf der Klinke des Direktors abzulegen. Die Gesamtschule war nicht so schlecht wie ihr Ruf. Ich mochte die langen Gänge, die bunten Wände und den verwilderten Schulgarten. Ich liebte das Chaos auf den Vertretungsplänen, vor denen alle immer kollektiv aufstöhnten, und die freundliche Bestimmtheit des Schwarzen Bretts. »Die Schüler werden gebeten, keine Brote unter den Tischen liegen zu lassen und alles zu unterlassen, was Schäden an der Substanz der Schule verursachen könnte. Das Rauchen im Schulgebäude ist den Schülern nicht erlaubt! Die Schulleitung.« In vier Wochen würde ich meinen 16. Geburtstag feiern. 16 Jahre, das war für mich schon fast wie 18. Ich konnte es kaum erwarten und sah ein neues Zeitalter auf mich zustürmen, vollgepackt mit Freiheit und Unabhängigkeit. Naturgemäß sah das mein Vater, Dieter Kleewe, ganz anders. »Solange du deine Füße unter unseren Tisch stellst, wird gemacht, was wir sagen.« Wie oft schon hätte ich den Tisch am liebsten vor den Augen meiner Eltern zerhackt. »Ich wohne hier, da muss ich meine Füße ja unter euren Tisch stellen«, entgegnete ich pampig. »Nicht in diesem Ton, Monika!«, mahnte meine Mutter. »Ihr wisst auch nicht immer, wo es langgeht.« »Noch bestimmen wir, wo vorne ist«, sagte Vater daraufhin. »Ach ja … und was ist, wenn ihr hinten steht?« »Dann ist eben hinten vorne!« Als ich mit meinem Zeugnis zu Hause ankam, waren Oma, Tante Elsbeth und Onkel Hartmut schon da. Tante Elsbeth war die Schwester meiner Mutter und, wie Oma immer sagte, »seit ihrer Heirat geistig nicht mehr ganz auf der Höhe«. Dass Onkel Hartmut »eine ganze Ecke« älter war als Elsbeth, hätte Oma wohl hingenommen. Aber dass ihr Schwiegersohn eine zwielichtige Vergangenheit im Dritten Reich hatte, blieb ein heikler Punkt in unserer Familie. Da Oma einen »unglaublichen Hass auf diese braune Bande« hatte, kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen, bevorzugt an Weihnachten. Das Fest der Liebe geriet dann schnell zu einem Fest der Hiebe, doch am Ende hatten sich alle wieder »ganz lieb«. »Na, dann lass mal dein Zeugnis sehen«, sagte Mut ter. Tante Elsbeth sah ihr über die Schulter. »Habt ihr keine Handarbeit?«, fragte sie ungläubig, während Mutter mein Zeugnis las. »Nein.« »Und Kochen?«, fragte Elsbeth weiter. »Kochen haben wir noch nie gehabt«, erwiderte ich. Onkel Hartmut schüttelte missmutig den Kopf. »Kein Kochen, keine Handarbeit … Kein Wunder, dass die Männer keine richtigen Frauen mehr finden«, meinte er. »Ich finde, das hast du sehr schön gemacht, Monika «, sagte Mutter und strahlte. »Und was hat sie jetzt davon? Ich meine, wozu so ein gutes Zeugnis?«, wollte Elsbeth wissen. »Damit kann Monika Abitur machen«, sagte Vater voller Stolz. »Wozu denn Abitur?«, fragte Onkel Hartmut erstaunt. »Um sich zu bilden und bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben«, erklärte mein Vater. »Was heißt hier Arbeitsmarkt? Der Platz einer Frau ist zu Hause«, entgegnete Hartmut und sah mich an wie einen Schwerverbrecher. Oma machte eine abwertende Handbewegung und meinte nur, ich solle diese dummen Sprüche nicht zu ernst nehmen. »Dein Onkel Hartmut ist als Kind zu oft vom Wickeltisch gefallen – da redet man so einen Unsinn.« »Aber es ist doch kein Wunder, dass wir immer mehr Arbeitslose haben, wenn die Frauen plötzlich alle meinen, sie müssten arbeiten! Die sollen heiraten und Kinder kriegen, wie es sich gehört!«, sagte Onkel Hartmut eine Idee zu laut. »Dem ist damals ein Granatsplitter ins Hirn geschossen «, stellte Oma sachlich fest und warf sich ihre Jacke um. Das war das Zeichen zum Aufbruch. Zur Feier des Tages gingen wir essen. Ein sehr seltenes und deswegen besonderes Ereignis, was alle in Aufregung versetzte, schließlich waren wir nicht »Rockefeller «. Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben das Restaurant aussuchen dürfen und einen Italiener gewählt. Mein Vater hatte mit »Wenn es da auch Schnitzel gibt, ja« seine Zustimmung gegeben.