Beschreibung
Wenn das Paradies zur Hölle wird Sie nennen sich Die Standhaften. Doch hinter der gottesfürchtigen Fassade verbirgt sich eine fundamentalistisch-christliche Sekte. Für Anwältin Evan Delaney wird die Sekte zur Bedrohung, als man ihren Bruder des Mordes an dem Sektenführer beschuldigt. Evan macht sich daran, die Unschuld ihres Bruders zu beweisen, und kommt dabei den entsetzlichen Machenschaften der Sekte auf die Spur.
Autorenportrait
Meg Gardiner wuchs mit drei Geschwistern im kalifornischen Santa Barbara auf. Nach dem Abschluss des Jurastudiums praktizierte sie zunächst als Anwältin, bevor sie ihren Beruf aufgab und nach England übersiedelte. Dort begann sie zu schreiben und veröffentlichte im Jahr 2002 ihr Romandebüt. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren drei Kindern nahe London.
Leseprobe
1. Kapitel Bei der Begrüßung hielt sich Pete Wyoming nicht lang mit Händeschütteln auf. Seine Ausstrahlung traf die Leute wie das Geschoss aus einer Steinschleuder. Stocksteif und von hagerer Statur, trug er das Haar militärisch kurz. Als ich ihn zum ersten Mal sah, trug er außerdem ein Protestplakat vor sich her und kochte vor Wut. Auf dem Plakat stand: 'Gott hasst Huren'. Er reckte es den Trauergästen entgegen, als wir aus der Kirche in die Herbstsonne hinaustraten. Hinter ihm schwenkten seine Anhänger weitere Schilder mit Aufschriften wie: 'Aids ist die gerechte Strafe'. Die Tochter der Verstorbenen ging hinter dem Sarg und umklammerte die Hand ihres Ehemannes. Kaum hatte Wyoming sie erspäht, fing er an zu skandieren: 'Huren haben hier nichts verloren, Claudine wird in der Hölle schmoren!' Zu diesem Zeitpunkt beging ich meinen ersten Fehler. Ich tat ihn als bigotten Maulhelden ab, als einen Mann, der ganz einfach Probleme mit Frauen hatte. Und damit unterschätzte ich ihn gewaltig. Wyoming war Pastor einer Kirchengemeinde namens Die Standhaften, die sich als letzte Gottesfürchtige in einer von Eitergeschwüren übersäten Welt betrachteten. Santa Barbara, diese Bilderbuchstadt mit ihrem acrylblauen Himmel und den roten Ziegeldächern, mit ihren Kaffeebars und Stränden und der mexikanisch-amerikanischen Herzlichkeit ihrer Einwohner, hielten sie für das Schleusentor im Abfluss zur Hölle. Und sie verliehen ihrer Einschätzung Nachdruck, indem sie bei Beerdigungen von Aids-Opfern auftauchten und sie verhöhnten. Nikki Vincent, die Tochter der Verstorbenen, hatte gewusst, dass sie da sein würden, und uns empfohlen, sie einfach zu ignorieren. Wie Kakerlaken, die einem unter den Schuh geraten sind. Jetzt legte sie eine kaffeebraune Hand auf den Sarg, als wollte sie sagen: Mach dir keine Sorgen, Mama, ich schaff das schon. Vielleicht wollte sie auch ein letztes Mal Kraft bei ihrer Mutter schöpfen. Claudine Girard hatte nie klein beigegeben. Die Frau mit dem französisch-haitianischen Akzent war schon in der Aids-Aufklärung aktiv, als die Krankheit sich noch nicht in ihren Körper gefressen hatte. Außerdem war sie meine Professorin an der Universität gewesen. In ihren Literaturvorlesungen hatte sie uns immer dazu aufgefordert, Mut zu fassen und uns dem Leben zu stellen. Es war unfassbar, dass sie nicht mehr bei uns war. In Santa Barbara war sie weithin bekannt. Insofern war es kein Wunder, dass sich zahlreiche Reporter unter den sich im Wind wiegenden Palmen um die spanische Kirche drängten. Sie wollten Action. Und Wyoming war dabei, sie ihnen zu geben. Er straffte seinen Kordelschlips und fixierte Nikki, die sich, im siebten Monat schwanger, auf ihren Ehemann stützte, bereit für den Spießrutenlauf. Wyoming erhob sein Plakat. 'Ding, dong, die Hexe ist tot! Welche Hexe?' Die Standhaften fielen in sein Lied ein: 'Die Voodoo-Hexe!' Es waren ungefähr zwanzig Meter bis zum Leichenwagen, der am Bordstein wartete - ein weiter Weg. Der Leiter des Bestattungsunternehmens, der sich bisher unauffällig im Hintergrund gehalten hatte, rang bestürzt die Hände. Beerdigungen, bei denen es zu Ausschreitungen kam, waren keine gute Reklame für seinen Betrieb. Nun schob er die Sargträger vorwärts. Nikki hob das Kinn und schloss sich ihnen an, ihr Gesicht zeigte keine Regung, eine Sonnenbrille verbarg ihre vom Weinen geschwollenen Lider. Eine stupsnasige Frau drängte sich plötzlich aus der Menge nach vorne. 'Hurenböcke! Schwulenliebchen! Haut ab mit eurem Hokuspokus nach Haiti!' Die Trauergäste ignorierten die Demonstranten. Wir waren eine bunt gemischte Gruppe: Kollegen von der Universität, Claudines Familie aus der Karibik und Freunde wie ich, mit meinen keltischen Gesichtszügen, den Mittelklassemanieren und dem Aufruhr, der in meinem Inneren tobte. Meine eigene Religion war so etwas wie ein unterirdischer Katholizismus, der lediglich bei Todesfällen und an Feiertagen ans Licht drängte. Gott als Drohgebärde - das war mir fremd. Ich spürte, wie ic Leseprobe