Beschreibung
Deutschland - ein Russen-Märchen: Niemandem gelingt es besser als Wladimir Kaminer, uns das eigene Land wie ein Panoptikum bemerkenswerter Menschen, merkwürdiger Schicksale und unerhörter Begebenheiten erscheinen zu lassen. Wer hätte beispielsweise vermutet, dass Einkaufen zum Abenteuer werden kann? Auf der Schönhauser Allee kann es das, dank einiger Vietnamesen die ohne Sprachkenntnisse und Zählvermögen den Laden Lebensmittel betreiben. Hier wird die Ware ungeachtet ihres Inhalts nach Verpackung sortiert und der Preis nach Größe festgelegt. Sollte den Besitzern bei dieser Methode einmal das Geld ausgehen, können sie ja im Spielsalon Pure Freude, der von Erik betrieben wird, ihr Glück versuchen. Erik stammt aus Baku, war im früheren Leben Musiker und spielte in der ersten und letzten Heavy Metal Band der aserbeidschanischen Hauptstadt. Doch nicht nur im Spielsalon, überall kann man hier den unverhofften Glückstreffer landen. Ein überfüllter Müllcontainer entpuppt sich als letzte Ruhestätte einer Bibliothek, aus der es wahre Schätze zu bergen gilt. Vielleicht nicht den Ratgeber Woher die kleinen Kinder kommen, ist es doch interessanter zu erfahren, wo die kleinen Kinder hingehen, wenn sie größer werden. Bedenkenswert sind allerdings die Stilistischen Grundtendenzen in Lenins Sprache, die Seite an Seite mit der Blechtrommel und dem bang fragenden Bin ich ein Verfassungsfeind? zwischen Spinatresten verfallen. Ganz zu schweigen von russischer Lyrik inklusive Kriegspoem - guter Soldat, hübsche Strophen, alles gereimt. Wäre doch schade drum. Schade übrigens auch um das Restaurant, das bei dem Versuch, gebratenes Sushi zu kreieren, in Asche gelegt wurde. So ist eben immer etwas geboten auf den Straßen Berlins.
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Autorenportrait
Wladimir Kaminer wurde 1967 in Moskau geboren und lebt seit 1990 in Berlin. Mit seiner Erzählsammlung 'Russendisko' sowie zahlreichen weiteren Bestsellern avancierte er zu einem der beliebtesten und gefragtesten Autoren Deutschlands.
Leseprobe
Blut auf der Sch?nhauser Allee Mein Freund und Namensvetter Wladimir wohnt mit seiner Familie genau gegen?ber auf der anderen Seite der Sch?nhauser Allee. Manchmal scheint er ein richtiger Doppelg?er von mir zu sein, oder ich von ihm. Er ist so alt wie ich, tr? denselben Namen wie ich, dieselben Klamotten, und er hat ebenfalls eine Frau und zwei Kinder. Auch seine Wohnung ist ganz ?lich, er raucht dieselbe Zigarettenmarke und kauft dieselben Lebensmittel immer zur gleichen Zeit im gleichen Supermarkt wie ich. Das Einzige, was uns unterscheidet, ist die Tatsache, dass seine Frau eindeutig br?nett ist, meine aber nicht. Neulich beim Einkaufen bemerkte ich noch einen Unterschied: Wladimir war offenbar pl?tzlich Vegetarier. Er kaufte Unmengen von gefrorenem Gem?se, sah dabei jedoch ganz ungl?cklich aus. ?Ich kann kein Fleisch mehr sehen?, gestand er mir in der Schlange vor der Kasse. Auf dem R?ckweg nach Hause erz?te er, wie es dazu gekommen war. Vor ungef? einer Woche fand er auf der Autobahn ein ?berfahrenes Wildschwein. Siebzig Kilo Fleisch lagen auf der Stra? - einfach so. ?Ein Geschenk des Himmels?, dachte Wladimir und zerrte das tote Tier in den Kofferraum seines alten Mazda. Er hatte sich gerade am Vormittag mit seiner Frau verkracht, weil sie morgens immer so missgelaunt war, und wollte ihr nun das Wildschwein als eine Art Wiedergutmachung mitbringen: ?Ein Geschenk f?r dich, Liebling!?, so ungef? stellte er sich das vor. Die Sau blutete ihm sofort den ganzen Kofferraum voll. Als Wladimir an einer Rastst?e anhielt, um zu tanken, bemerkte der Wirt: ?Da tropft Blut aus Ihrem Kofferraum, vielleicht sollten Sie mal nachschauen.? ?Danke, ist schon gut, ich wei?Bescheid?, antwortete Wladimir und l?elte freundlich. Der Mann sagte nichts mehr und wollte von Wladimir auch kein Geld mehr f?r Benzin haben. Als er in der Sch?nhauser Allee ankam, war es schon sp? Er musste das Wildschwein allein in den vierten Stock zerren. Dabei rutschte ihm das Tier mehrere Male die Treppe runter. Oben angekommen war er fix und fertig. Die Treppe und seine Klamotten waren voller Blut. Dazu kamen ihm die ersten Zweifel: Vielleicht war das Wildschwein doch keine so gute Geschenkidee? Nun war es jedoch zu sp? Er konnte den Kadaver unm?glich entsorgen. Seine Frau war nicht zu Hause, die Kinder bereits im Bett. Wladimir legte das Schwein in die Badewanne, nahm alle Waschlappen, die er in der Wohnung finden konnte, und ging ins Treppenhaus, um aufzuwischen. Inzwischen hatten seine Nachbarn die Polizei alarmiert. Sie hatten den Streit am Morgen mitbekommen und waren nun fest davon ?berzeugt, dass Wladimir seine Frau umgebracht hatte. Als die LKA-Einheit ankam und die Blutspritzer vor dem Haus sah, forderte sie sofort Verst?ung an. Bis an die Z?e bewaffnet st?rmten die Beamten das Haus und fanden Wladimir auf der Treppe mit einem Eimer Wasser und einem Waschlappen in der Hand, wie er das Blut wegwischte. ?Ich mache alles wieder gut?, versprach Wladimir den Polizisten. Sie legten ihm dennoch Handschellen an und bet?ten ihn ein wenig - zur Sicherheit. Danach folgten die Polizisten den Blutspuren nach oben und entdeckten im Waschraum das Wildschwein. ?Das ist aber nicht Ihre Frau?, wunderten sie sich. ?Nein?, erwiderte Wladimir, ?meine Frau ist br?nett.? ?Und wo ist sie jetzt?? ?Ich wei?nicht?, sagte Wladimir wahrheitsgem? Die Polizisten zerrten das tote Tier zu viert nach unten. Mein Doppelg?er musste nat?rlich als mutma?icher T?r mit aufs Revier. Ein Selbstmord kam nicht in Frage. Im Grunde ist Wladimir dann doch noch verh?nism?g heil aus der Geschichte herausgekommen: mit zweitausend Mark Strafe. Aber jetzt kann er kein Fleisch mehr sehen und ist insofern auch kein Doppelg?er mehr von mir. Nun muss ich ganz alleine im Supermarkt an der Fleischtheke anstehen. H?ler auf der Sch?nhauser Allee Merkw?rdige Dinge ereignen sich in Berlin. Nach einer langen Pause breitet sich die vietnamesische Handelskette ?Lebensmittel? im Ostteil der Hauptstadt we Leseprobe