Beschreibung
Ein 'very angry young man' - auf Schweizer Art! Ein junger PR-Berater kehrt nach 15 Jahren in seine Heimatstadt zurück, um seinen Jugendfreund Luca zu beerdigen. Mit den Erinnerungen der Kindheit steigt auch die Wut wieder hoch, die ihn damals aus der Stadt trieb. Ihm wird klar, dass er mit einem ganz anderen Ziel nach Hause kam. 'Kippzustand' ist ein Faustschlag auf den Tisch, das impulsive Abkanzeln einer restlos angepassten Gesellschaft. Beglückend, wie hier einer vom Leder zieht: frisch, humorvoll und so wahrhaftig, dass man dem Autor applaudieren möchte.
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Autorenportrait
Giuseppe Gracia, 1967 als Sohn eines Sizilianers und einer Spanierin in Sankt Gallen geboren, lebt dort als Kommunikationsberater und Schriftsteller.
Leseprobe
Ihr begebt euch ins Erdgeschoss und klopft an die Tür der Salpaturas und klingelt und ruft. Unterdessen sind mehrere Leute im Treppenhaus aufgetaucht. Sie beschließen, es vom Hinterhof aus zu versuchen, über ein Fenster wollen sie in die Salpaturawohnung steigen und die Sache prüfen. Die Polizei rufen, auf diese Idee kommt niemand, die Polizei ist etwas für die Svizzeri, außerdem könnte sich das Ganze noch immer als Fehlalarm herausstellen. Die Fenster zur Salpaturawohnung sind verriegelt, eine Weile stehen alle im Hinterhof herum und reden ideenlos im Kreis. Plötzlich nimmt dein Vater einen Stein, geht zum Küchenfenster und schlägt zu. Du staunst, weil die Scheibe sofort kaputtgeht, lautlos beinahe. Dein Vater steckt den Arm durchs gezackte Loch, öffnet das Fenster und steigt in die Wohnung. Niemand traut sich, ihm zu folgen. Es vergehen Minuten, wie dir scheint, dann taucht das Gesicht deines Vaters wieder auf, so blass, dass du es zuerst gar nicht erkennst, ein Mondgesicht, ein Kalkgesicht. Du kannst dich nicht mehr beherrschen, es ist absolut kopflos von dir, trotzdem schwingst du dich aufs Fenstersims, stößt deinen Vater beiseite und gehst in die Wohnung. Du biegst um die Ecke ins Wohnzimmer und siehst die Nuria Maria dort liegen, ein grünes Tuch umschlingt ihren Hals, der Mund steht offen, die kleine Zunge klebt an der Unterlippe fest. Alles in dir ist wie lahmgelegt, als würde dein Körper eine unendliche unmögliche Betriebspause machen, während du die Leiche betrachtest und für immer in dir speicherst, während du den Frauenkörper genau studierst und dich im Geist über den Frauenkörper legst und aus nächster Nähe darüber hinweggleitest, um zu begreifen, um zu riechen und zu schmecken, was da genau liegt, was da genau übrig geblieben ist von der Nuria Maria, die du gekannt hast. Nichts, sagst du dir, auch als du nach draußen gehst und dich die anderen fragen und sich tragödienhungrig um deinen Vater scharen, Nichts wiederholst du unablässig, selbst als die Leichenspezialisten aus der Stadt eintreffen und die Polizei eure Aussagen aufnimmt, immer nur dieses Wort kannst du denken. In den folgenden Tagen kursieren die üblichen Gerüchte, von Sexualmördern ist die Rede, von Einbrechern und Selbstmord. Erst in der Zeitung erscheint eine plausible Version: Francesco Salpatura ist mit seinen Kindern nach Sardinien gefahren, um sie bei der Großmutter unterzubringen, anschließend hat er sich ins Auto gesetzt und ist zwischen zwei und drei Uhr morgens wieder in Furtnau eingetroffen. Es bleibt ungeklärt, ob er zu diesem Zeitpunkt bereits die Absicht hatte, seine Frau zu strangulieren. Es ist nicht auszuschließen, dass er mit ihr reden wollte, um die Scheidung zu verhindern, dass es zu einem heftigen Streit gekommen ist und alles außer Kontrolle geriet. Die heimliche Rückkehr in der Nacht legt allerdings nahe, dass der Francesco die Absicht hatte, unbeobachtet in den Wohnblock zu gelangen, woraus man schließen muss, dass er ebenso unbeobachtet wieder aus dem Wohnblock herauskommen wollte. Das deutet darauf hin, dass er seine Flucht und damit den Mord bereits in Sardinien geplant hat. Leseprobe